Kreuzfahrt in den Untergang
Jules Verne, Science-Fiction-Urgestein, gilt als Zukunfts-Enthusiast. Euphorisiert von den Erfindungen des 19. Jahrhunderts sah er alles rosig: In 80 Tagen um die Welt, Raumflug zum Mond. Doch Verne konnte auch anders. In der «Propellerinsel» erzählt er, wie die Technik in den Untergang führt.
Jules Verne ahnte bereits vor dem ersten Weltkrieg, dass es die menschlichen Widersprüchlichkeiten sein würden, die zur Katastrophe führen. Und dass die Technik als Mordwaffe es nur noch schlimmer macht. Das macht den Autor aus Amiens so spannend. Schon sein Erstlingswerk «Drama in den Lüften» erzählt vom Wahn des «Immer höher», der im Absturz endet.
Weltrekord im Kotzen
Geradezu prophetisch wirkt die «Propellerinsel». Milliardäre haben die «Gated Community» aus Stahl bauen lassen, sieben Kilometer lang, mit Häusern für 10 000 Einwohner, frei manövrierbar auf den Weltmeeren. Ihr Hauptort Milliard-City ist eine moderne Stadt, hell erleuchtet, mit Parks und Strassenbahnen. Doch eine unsichtbare Grenze teilt die Insel. Die beiden reichsten Clans dominieren die beiden Hälften und liefern sich einen erbitterten Schlagabtausch. In einem Sturm können sich die Maschinisten der Clans nicht mehr auf den gemeinsamen Kurs einigen. Die Insel fängt an zu rotieren, immer schneller und schneller, und bricht schliesslich auseinander. Was für ein treffendes Bild für Tragik des Immer-stärker-sein-Wollens, das zum Schluss ins Absurde gesteigert wird: «Die Familien hielten sich nur noch im Badezimmer auf, verbrachten ihre Tage über dem Wasserklosett und übergaben sich, als müssten sie einen Weltrekord im Kotzen aufstellen.»
Dearbooks, 211 x 146 mm, 360 Seiten, Ca. Fr. 32.– ISBN 978-3-95455-001-2
Text: Reinhold Meier | Bild: Pixabay – Kirchenbote SG, Dezember 2019
Kreuzfahrt in den Untergang