«Läb Din Muet!»

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08.08.2017
Niklaus von Flüe und Ulrich (Huldrych) Zwingli: Im wirklichen Leben sind sie einander nie begegnet. Was die beiden verbindet, ist ihr ausserordentlicher Mut. Sie sollen in einer Ausstellung in Alt St. Johann vom 16. August bis 12. November zu Gesprächspartnern werden.

Dem Mut der beiden spürt eine ökumenische Arbeitsgruppe rund um Pfarrer Hans Jörg Fehle in der Propstei in Alt St. Johann mit dem Rundgang «Läb Din Muet» nach. 

Kontemplativ der eine, streitbar der andere. Beide haben mit sich, mit Gott und der Welt gerungen. Beide sind für ihren Weg eingestanden, haben Brüche durchlebt. «Das Wirken von Bruder Klaus und Ulrich Zwingli ist eine Ermutigung, sich dem Leben auch in seinen Brüchen zu stellen», sagt Pfarrer Hans Jörg Fehle aus Wattwil.

Ideale Örtlichkeiten

Die Propstei Alt St. Johann ist dazu geeignet, zu erleben, was es heisst, zu den eigenen Überzeugungen zu stehen. Im kleinen, verträumten Ort im Obertoggenburg stehen die reformierte Kirche, hervorgegangen aus der früheren St. Anna Kapelle, und die katholische Propstei unmittelbar nebeneinander. Getrennt nur durch die Friedhofsmauer.

Brücke über die konfessionelle Grenze

Die Künstler Det Blumberg und Claudia Gruber sind gerade dabei, mit ihrem «Auferstehungsweg» eine Brücke über diese konfessionelle Abtrennung zu bauen und spüren mit ihren Holzinstallationen der heroischen Landschaft zwischen Alpstein und Churfirsten nach.

In Eingangsbereich der Propstei wird es um Spuren von Bruder Klaus und Ulrich Zwingli in der Gegenwart gehen. Noch ist in den hellen, klaren Räumen wenig zu sehen, die Ausstellung ist im Aufbau begriffen.

Stimmen und Holzstehlen in der Propstei

Doch Pfarrer Fehle und Ausstellungsgestalter Res Reber haben einen Plan für einen Rundgang mit allen Sinnen: Es werden Julia Brändle aus Gossau SG und Al Imfeld, der kürzlich verstorbene Immenseer, zu Wort kommen, die beide mit Bruder Klaus verwandt sind. Und Menschen mit Namen Zwingli. Da wird auch ein Toggenburger Alpsegen zu hören sein, der Bruder Klaus anspricht. Und es werden verschiedene Zwingliana zu besichtigen sein.

Die hellen, klaren Räumen der Propstei will Reber mit einfachen Holz-Stelen gliedern. Sie werden auf Nischen verweisen, die präsentieren, was die beiden Persönlichkeiten prägte. Ein Raum der Stille mit Niklaus von Flües Rad-Meditationsbild und dem Pestlied von Ulrich Zwingli soll zum Verweilen einladen. Der Quergang soll auffordern, quer zu denken, mutig auf die Themen eingehen, die Bruder Klaus und Ulrich Zwingli den Heutigen zuspielen.

Auch die Ehefrauen kommen zum Zug

Die Station beim Ausgang wird sich dann den beiden Frauen, Dorothee von Flüe und Anna Zwingli widmen. Beides mutige Personen, die das Loslassen lernten. Dorothee bejahte den Weg ihres Mannes in die Einsiedelei, Anna verlor Ulrich im Zweiten Kappeler Krieg.

Die Toggenburger Kräuterfrau Gisela Seiler ergänzt die «ökumenische Sinnsuche» durch blühende und wohlriechende Akzente. Den Sommer durch hat sie den Garten der Propstei in ein kleines «Paradies der mutigen Fragen» verwandelt: Wer bin ich? Wo stehe ich im Leben? Wie gehe ich achtsam mit der Schöpfung um? Dazu wachsen und blühen Engelwurz, Angelika und Mariendistel.

Mutig werden

Mutig werden durch Struktur, Ordnung und Regelmässigkeit: Dafür stehen die rote Gartenmelde, Borretsch, Ringelblumen und Kornblumen. Selbst der Komposthaufen bekommt seinen ganz eigenen Auftritt im Geschehen: Er steht dafür, mutig den Kreislauf des Lebens anzunehmen. Da «Läb Din Muet» bis im November den Besucherinnen und Besuchern offenstehen wird, können diese das Werden und Vergehen im Klostergarten hautnah miterleben.

Musikalisch-textliche Abrundung im November

«Anna und Dorothee – was die Frauen zu sagen haben»: Unter diesem Titel wird der feinsinnig konzipierte Rundgang im November musikalisch abgerundet. Der bekannte Toggenburger Weltmusiker Peter Roth wird mit beiden Alt St. Johanner Kirchenchören und einem Solistinnen-Terzett die Texte von Klara Obermüller und Christoph Sigrist umrahmen, die Anna Zwingli und Dorothee von Flüe ihre Stimme leihen werden.

So schliesst sich der Kreis dieses Versöhnungs-Projekts, das Bruder Klaus und Ulrich Zwingli ins Gespräch bringt, das aber auch dem eigenen Mut nachspüren will. Und vielleicht auch der Frage: Was wäre wohl passiert, wenn sich die beiden Männer tatsächlich getroffen hätten?

 

Barbara Camenzind, kath.ch   – Kirchenbote SG, August 2017

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