Lokale Ursache – globale Wirkung

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01.10.2018
Wissen Sie, was die presbyterianische Kirche in England, den USA oder in Südkorea, die boomenden Pfingstkirchen in Afrika und Südamerika und die reformierte Kirche Ungarns mit der Schweiz zu tun haben? Die Antwort lautet: Ohne das Wirken und den Einfluss der Schweizer Reformatoren gäbe es sie nicht. Wie es dazu gekommen ist?

Die Reformation Anfang des 16. Jh. im Gebiet der späteren Schweiz war geprägt von einem doppelten Phänomen. Einerseits gab es (im Gegensatz zu Deutschland mit der zentralen Person Martin Luther) in unseren Gefilden schon damals das, das wir heute «Kantönligeist» nennen: jede Region hatte ihren eigenen Reformator und damit ihre eigene Ausprägung. Andererseits waren diese lokalen Reformatoren im ständigen Dialog miteinander und hatten ein ausgesprochen weites Denken. Darum war ihr Einfluss auf die Entstehung von reformierten Kirchen weltweit auch entsprechend gross (mehr als bei Luther). Wie sie das geschafft haben? 

«Die reformierten Kirchen gleichen weltweit einem grossen Haus mit vielen Zimmern.»
Karin Kaspers-Elekes

Durch internationale Vernetzung, natürlich nicht über E-Mail, Skype oder WhatsApp, sondern durch die gerade neu aufgekommene Möglichkeit des Buchdrucks und durch Briefe. Von Heinrich Bullinger beispielsweise sind uns 12 000 Exemplare erhalten: geschrieben von ihm oder an ihn. Der wenig bekannte Aargauer Pfarrer wurde Zwinglis Nachfolger in Zürich, einigte sich mit den Genfer Reformatorenkollegen in den wesentlichen noch strittigen Punkten im «Zweiten Helvetischen Bekenntnis» und wurde, obwohl er seine Heimatregion sehr selten verliess, der weltweit einflussreichste Reformator.

Von Genf nach Schottland, von Zürich nach Polen
Aus kleinen Anfängen in einigen Schweizer Städten, allen voran Zürich und Genf, ist eine weltweite, bis heute stark wachsende Bewegung geworden. In ihrer unterdessen 500-jährigen Geschichte gab es immer wieder interne Reformationen, die zur Entstehung von immer zahlreicheren Kirchen und Denominationen führten. Nicht nur in der Schweiz, sondern auf der ganzen Welt: in Osteuropa, in den USA, dann in Südamerika und Afrika, später auch in Asien. Ein paar wenige Beispiele solcher neuen Kirchen finden sich auf den Wegweisern auf der Titelseite.

Gewaltiges Wachstum seit dem 20. Jahrhundert
Neben der weltumspannenden katholischen Kirche und der Familie der orthodoxen Kirchen von Griechenland bis Russland sind die Reformierten so einer der drei grossen Hauptgruppen innerhalb der Christenheit geworden. Dabei sind insbesondere die Pfingstbewegung seit Anfang des 20. Jh. und die daraus erwachsene Charismatische Bewegung seit den 1960er-Jahren (die zur reformierten theologischen Basis zusätzlich die Wichtigkeit der konkreten persönlichen Erfahrungen mit dem übernatürlichen Wirken des Heiligen Geistes betonen) in weiten Teilen der Welt die am schnellsten und stärksten wachsenden religiösen Gruppierungen überhaupt. Auch sie sind geistliche Nachfahren der Schweizer Reformatoren.

 

Text: Marcel Wildi | Bild: Daniel Frei  – Kirchenbote SG, Oktober 2018

 

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