«Mein Buch darf auch sperrig sein»

min
01.01.2016
Im neuen Buch «Buchstabe für Buchstabe» erzählt Käthi La Roche biblische Geschichten so packend und verständlich, dass man sie auch Kindern sehr gut vorlesen kann. Im Interview erläutert die ehemalige Grossmünster-Pfarrerin ihre Motivation für das Buch.

Frau La Roche, die Geschichte von Bileam und der Eselin, die Sie in Ihrem Buch erzählen, läuft mir seit Tagen nach. In der Bibel hätte ich sie kaum gelesen. Warum haben Sie gerade Bileam ausgewählt?
Es ist eine aktuelle und zugleich hintergründige Geschichte, die mir sehr gefällt. Bileam ist ein wichtiger Prophet, der sich von einem Herrscher instrumentalisieren lässt. Es gibt auch heute viele Bileams, die gegen Bezahlung Gewünschtes prophezeien. Und es wäre gut, gäbe es heute auch mehr solche bockigen Eselinnen wie in Bileams Geschichte.

Wie haben Sie die Inhalte ausgewählt?

Das Alphabet bildet das formale Korsett, das mir geholfen hat, mich zu beschränken. Gewisse Begriffe wie Kreuz, Ostern oder Jesus mussten vorkommen, anderes war zufällig. Bei einigen Buchstaben war es schwierig, einen Inhalt zu finden, zum Beispiel beim X und Q. Ich brachte auch nicht alle Themen unter. Beim J wäre ja auch Jakob oder Josef interessant gewesen.

Warum das Alphabet als Gestaltungsprinzip?
Es geht ums Lesen Lernen. Die Geschichten sind gewissermassen die Buchstaben, die man kennen muss, um zu verstehen, was der Glaube beinhaltet. Aber man muss zuerst auch etwas wissen, bevor man den Glauben buchstabieren kann. Das Buch soll Grosseltern, Eltern, Göttis und Gotten beim Erzählen helfen.

Wie kamen Sie auf die Idee?
Ich habe das Buch für meine Tochter geplant, falls sie einmal Kinder hat. Ich war jedoch unsicher, ob das überhaupt jemanden interessiert. Peter Bichsel, den ich privat kenne, habe ich zwei Texte gezeigt, und er hat mich ermuntert, weiterzumachen.

Nun könnte man einwenden: Es gibt schon Kinderbibeln.
Ja, aber die sind oft weichgespült. Das behagt mir nicht. Mein Buch darf auch sperrig sein und Fragen auslösen. Die Bibel ist realistisch und oft grausam, das Geglättete hilft nicht, dem Unbegreiflichen ins Auge zu schauen. Man bleibt dann allein mit den Fragen.

Viele Texte aus dem Buch schildern kompakt, zum Teil lapidar-lakonisch religiöse Inhalte. Bei Jesus heisst es trocken, er habe «keinen fulminanten Start» gehabt. Wie lange haben Sie an den Texten gefeilt?
Es ist schon Arbeit dahinter. Manchmal hatte ich lange, manchmal fiel es mir einfach zu. Für ein Kapitel habe ich mich jeweils einen Tag hingesetzt - aber gelegentlich hab ich am Abend dann auch alles weggeschmissen und später noch einmal anders und neu angefangen.

Unter dem Buchstaben B kommt auch das Stichwort «Bibel» mit einer halben Seite. Ist das nicht gar knapp?
Nein, ich möchte ja Mut machen, die Bibel selber zu lesen. Ich will nicht viel erklären und keine Dogmatik entwerfen. Ich möchte vor allem erzählen.

Warum ist dann der Text über die Taufe relativ lang?

Die Taufe ist zentral. Zudem ist es auch ein Buch für Götti und Gotten. Deshalb darf die Taufe schon etwas ausführlicher vorkommen.

Ist das Buch nicht einfach auch ein gut lesbarer Crashkurs für Erwachsene, die von Religion keine grosse Ahnung haben?
Warum nicht? Ja klar.

Das Buch versucht, etwas gegen den religiösen Gedächtnisverlust zu setzen. Ist nicht eh alles verloren?
Man kann diesen Gedächtnisverlust nicht generell stoppen, Widerstand leisten kann man aber schon. Wir stehen vor einem grossen Traditionsabbruch. Man versteht nichts mehr von unserer Religion, wird zum kulturellen Analphabeten. Wir Reformierten können aber stolz sein, was wir haben, und unsere Tradition selbstbewusst weitergeben. Das Buch soll dabei helfen. Wir sind als Kirche kleiner geworden und haben gesellschaftlich an Bedeutung verloren, aber ich möchte die hierzulande zur Minderheit geschrumpften Christen unterstützen und ermutigen.


Käthi La Roche

Käthi La Roche, Jahrgang 1948, war bis 2011 Pfarrerin am Grossmünster in Zürich.


Buchhinweis
Käthi La Roche: Buchstabe um Buchstabe. Den Glauben lesen lernen. Ein Buch für Kinder, Eltern und Grosseltern. Mit Illustrationen von Hannes Binder. Theologischer Verlag Zürch 2015. ISBN 978-3-290-17789-8. 34.80 Franken.
Das Buch ist Ende September erhältlich. Die Vernissage ist am 18. November in der Helferei des Grossmünsters in Zürich.


Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».


Zum Bild: «Man kann den Gedächtnisverlust nicht generell stoppen, Widerstand leisten kann man aber schon»: Pfarrerin und Autorin Käthi La Roche.
Matthias Böhni / ref.ch


In der «Reformierten Presse» Nummer 34 vom nächsten Freitag erscheinen als Vorabdruck die Texte zum Buchstaben «B»: «Bileam» und «Bibel».

Matthias Böhni / ref.ch / 17. August 2015

Unsere Empfehlungen

«Basilea Reformata»: Ein Buch über uns Menschen

«Basilea Reformata»: Ein Buch über uns Menschen

Am 1. Advent erscheint die neue Ausgabe der «Basilea Reformata». Auf 400 Seiten verzeichnet das Buch sämtliche Pfarrer und Pfarrerinnen, die seit der Reformation in Baselland und Basel-Stadt tätig waren. Es dokumentiert damit auch den Wandel des Pfarrberufs und seine Bedeutung im Laufe der Zeit.
Gibt es bald keine kirchlichen Trauungen mehr?

Gibt es bald keine kirchlichen Trauungen mehr?

Leserfrage: Die Hochzeit meiner Tochter kürzlich fand nicht kirchlich, sondern mit einer Traurednerin statt. Die jungen Brautleute erklärten, sie wollten keine Feier, in der ihnen ein veralteter Glaube übergestülpt wird. Mich macht diese Aussage traurig. Claudia Henne antwortet.