Mensch Paradiesbürger

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23.02.2016
WIL SG. Pfarrer Markus Walser ist überzeugt, dass Verantwortung und Gerechtigkeit der Wahl des Guten erwächst. Ohne Wenn und Aber.

«Gott, der Herr, nahm also den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden, damit er ihn bebaue und hüte. Dann gebot Gott, der Herr, dem Menschen: Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen, doch vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse darfst du nicht essen; denn sobald du davon isst, wirst du sterben.» 

1. Mosebuch, 2, 15—17

Es ist ein wahrhaftes Paradies, dieser Garten Eden, in welchen der Mensch laut dem zweiten biblischen Schöpfungsbericht gestellt wird, um darin aus der Fülle zu leben. Doch mit dem Leben im Reichtum der Natur ist ein Auftrag verbunden. Der Mensch soll seinen Garten bebauen, beschützen, bewirtschaften. Beim letzten Wort schlagen wir modernen Menschen umgehend den Bogen zum wirtschaftlichen Denken. Und eifrig gehen wir daran, den von der Schöpfung zur Verfügung gestellten Reichtum nicht nur zu nutzen, sondern zu benützen, um über den Bedarf an Lebenssicherung hinaus Gewinn zu «erwirtschaften». Gegen diese sehr menschliche Neigung wäre nichts einzuwenden, wenn sie nicht zwangsläufig dazu führte, dass die Schätze der Erde über Gebühr beansprucht, ja ausgebeutet werden. Und sie bringt mit sich, dass die einen viel haben und sich bereichern, die anderen aber zu wenig haben und darben.

Vor die Wahl gestellt

Das widerspricht der Absicht der Schöpfung, welche für alle Paradiesbürger genügend Ressourcen bereitstellt, jedoch nicht, um einigen das Verfügungsrecht zu geben. Der Erzählung vom Menschen als Paradiesbürger folgt inte-
ressanterweise unmittelbar eine Warnung:
«Iss nicht vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse, sonst musst du sterben!» 

Über die Bedeutung, die das Bild dieses eigenartigen Baums vermittelt, lässt sich rätseln. Ich sehe darin einen Bezug zum Umgang mit den Schöpfungsgaben. Der Genuss der Frucht vom verbotenen Baum raubt dem ehedem unbeschwerten Menschen jegliche Naivität. Er kann wählen, aber muss sich auch entscheiden. Für ein Handeln, das dem Leben dient, oder ein Tun, das ins Verderben führt. Das bedeutet Verantwortung. Schluss damit, einfach in den Tag hinein zu leben. Was der Mensch tut, hat Folgen.

Der Gang ins Verderben oder …

ist kein biblischer Drohfinger, den wir als fakultativ verstehen dürfen. Die ganze Menschheitsgeschichte spricht eindringlich davon, was passiert, wenn die Entscheidung für das Böse fällt, wenn Verantwortung abgelehnt und als Folge der Ruf nach Gerechtigkeit verhöhnt wird. In den sozialen Netzen des Menschseins  wie auch im Umgang mit den Schöpfungsgaben. Wir wissen es. Dafür steht mir das Bild vom Baum der Erkenntnis.

… Verantwortung und Gerechtigkeit

Beides erwächst der Wahl des Guten. Ohne Wenn und Aber. Vor dem Hintergrund der Schöpfungsgeschichte ist das denn auch kein weiterer lästiger Appell. Nur zu schnell hören wir die alten biblischen Worte als peinliche Mahnung, unser Verhalten zu überprüfen, oder als moralischen Denkzettel, die vorhandenen Ressourcen gerechter zu verteilen. Die Bilder der Schöpfungsgeschichten erinnern uns nüchtern an die Wahlmöglichkeit: uns zu entscheiden für das Leben. 

Text: Markus Walser, Pfarrer, Wil | Foto: Brot für alle  – Kirchenbote SG, Februar 2016

 

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