Menschen beim Abschied stärken
«Jeder der geht belehrt uns ein wenig über uns selber. Kostbarer Unterricht an den Sterbebetten», schreibt die jüdische Schriftstellerin Hilde Domin im Gedicht «Unterricht». Passender könne ihre neue Aufgabe wohl kaum beschrieben werden, sagt Ute Latuski-Ramm. Anfang September übernimmt die reformierte Pfarrerin die Leitung der «Ökumenischen Fachstelle Begleitung in der letzten Lebensphase», kurz Bill. Sie übernimmt die Stelle von Anne Heither-Kleynmans.
Tod berührte sie
«Als ich acht Jahre alt war, ist ein Mitschüler, dem ich sehr nahe stand, an Krebs gestorben», erzählt Ute Latuski. Sein Tod habe sie tief berührt und seither beschäftige sie das Thema Sterben; später auch in ihrem Theologiestudium und natürlich in ihrer Arbeit als Pfarrerin. Da stellten sich auch Fragen wie man Menschen gut begleiten könne, die schwer krank seien und bald sterben würden; oder wie man dabei die Angehörigen nicht aus dem Blick verliere. «Bei diesen Fragen geht es um die Würde», sagt die 46-Jährige.
Vom Pfarramt zu Bill
Einige Antworten erhielt Ute Latuski in einem längeren Lehrgang zu «Palliative Care», den sie vor ein paar Jahren absolvierte. Antworten gab es natürlich auch in ihrer täglichen Arbeit als Pfarrerin in Degersheim, bei Besuchen von kranken Gemeindemitgliedern, bei Trauergesprächen oder beim Aufbau eines interdisziplinären Netzwerkes um das Thema «Palliative Care», das sie noch im Bündnerland mit aufbauen durfte. So kam der Wunsch, sich beruflich stärker ins Thema zu vertiefen. Mit dem Wechsel vom Pfarramt zu Bill erfüllt sich dieser.
Kompetenz der Kirchen
Bill bietet verschiedene Kurse zur Begleitung von Menschen am Lebensende an, für Angehörige, Freiwillige sowie Personen und Institutionen im pflegerischen Bereich. Die Fachstelle ist getragen von der reformierten und der katholischen Kirche im Kanton St. Gallen. Es sei ihr wichtig, dass die Stelle ökumenisch abgestützt sei, sagt Ute Latuski. «Kirchen sind kompetent in der Begleitung von Menschen». Da spiele die Konfession eine untergeordnete Rolle. Zudem sei es wichtig, dass sich die Kirchen in den Diskurs zu «Palliative Care» und rund ums Sterben einbrächten. Denn Kirchen – und religiöse Gemeinschaften überhaupt – verfügten über eine grosse spirituelle Erfahrung und über während Jahrhunderten eingeübte Rituale, die die Menschen beim Abschied stärken und begleiten.
Text | Foto: kid/Ack – Kirchenbote St. Gallen, 30. August 2022
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