«Reformiertes Laboratorium»

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03.11.2020
«Weniger Lärm – mehr Gespräche»: Unter diesem Motto produziert das Pilotprojekt «RefLab» Blogs, Podcasts und Youtube-Beiträge. Der frische, unverkrampfte Ton begeistert und provoziert zugleich.

Vor mehr als 500 Jahren schlug der Reformator Martin Luther seine Thesen in Wittenberg an. Seit Januar dieses Jahres publiziert «RefLab» täglich neue Thesen und Meinungen, nicht an eine Kirchentüre, sondern als Blog, Podcast oder Video auf der Webseite «RefLab».ch. Das Projekt ist schweizweit einmalig und erreicht unter dem Motto «Less noise – more conversation» ein wachsendes Publikum. Die Beiträge werden fleissig geteilt und spalten auch die Gemüter. Die einen sind vom frischen, unverkrampften Ton begeistert, die anderen ärgern sich über den Plauderton des Diskurses. Ihre Voten seien nicht abschliessend, sondern forderten Reaktionen und Widerspruch heraus, erklärt Stephan Jütte. Der Theologe hat «RefLab» entwickelt.

Pilotprojekt der Zürcher Landeskirche
«RefLab», das «Reformierte Laboratorium», ist ein Pionierprojekt der Zürcher Landeskirche. Zeitgemäss setzt es statt auf die Kanzel auf digitale Formen wie Webseite, Twitter, Instagram und Facebook. Täglich bespielt das Team aus Theologen und Philosophen die Gefässe. Das Aufnahmestudio und die Redaktion befinden sich im Dachgeschoss eines ehemaligen Kirchgemeindehauses am Hirschengraben in Zürich.

 Im Fokus hat «RefLab» eine urbane Zielgruppe, die sich für Ethik und Spiritualität interessiert, jedoch kaum eine Kirche betritt. Er sei sehr gerne reformiert, sagt der Theologe Stephan Jütte, in der evangelischen Kirche fühle er sich jedoch oftmals fremd. Am Kirchenkaffee, Gottesdienst oder in den Kalebasse-Läden sei er kaum anzutreffen. Und trotzdem sei er Protestant. Der 36-Jährige ist überzeugt, dass man Gott in der Kultur begegnet, sei es in Filmen auf Netflix, in Podcasts, in der Literatur und im Theater: «Wir müssen Gott nicht ins Spiel bringen, er ist eh dort. Und wir staunen darüber.»

 Breiter religiöser Hintergrund
Dies ist der Ansatz von «RefLab». Entsprechend breit ist der religiöse Hintergrund der Macher: Der Theologe Manuel Schmid hat seine Wurzeln bei ICF, Evelyne Baumberger, ehemalige Journalistin bei Radio Live-Channel, studiert heute Theologie, die liberale Theologin Deborah Sutter liebt Yoga und Johann Henrich Klausen ist Kulturbeauftragter der Evangelischen Kirchen Deutschland. Entsprechend bunt ist der Mix der Themen und Formen von «RefLab».

 Im Podcast «Ausgeglaubt» erklären Stephan Jütte und Manuel Schmid, woran sie nicht mehr glauben und was ihnen wichtig bleibt. In «Abgekanzelt» fabulieren Poetry-Slammer. Friederike Osthof stellt in «Fritzis Folgen» Bücher, Filme und Ausstellungen vor. Und in «Holy embodied» verbinden Deborah Sutter und Patrick Schwarzenbach Körper und Spiritualität. Das Programm von «RefLab» bietet ständig Neues und Überraschendes, «mit einigen Highlights», wie die Journalistin Antonia Moser attestiert.

 Kein Mittel gegen Kirchenaustritte
Das digitale Pionierprojekt scheint sich zu lohnen: Täglich verzeichnet «RefLab» durchschnittlich 600 Besucher. Die meisten der User sind im Alter zwischen 25 und 45 Jahren, die weiblichen bilden die Mehrheit. Künftig gehörten die digitalen und sozialen Medien zu den Lebenswelten der Menschen, prophezeit Stephan Jütte. Deshalb sollte auch die Kirche dort vorkommen. Für Jütte ist dennoch klar, die Beiträge auf Podcasts und Youtube sind kein Mittel gegen die Kirchenaustritte. Die Kirche lebe davon, dass Menschen leiblich zusammentreffen, auch in der Zukunft. Aber Kirche brauche beides, analoge und digitale Formen. Man solle die beiden nicht gegeneinander aufwägen und ausspielen, so Stephan Jütte.

Tilmann Zuber, kirchenbote-online

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