Religiöse Dimensionen im Sport
Früher waren Menschen oft zu Fuss unterwegs. Und durch die landwirtschaftliche Arbeit waren sie körperlich vielfältig aktiv. Heute nutzen wir für längere Strecken bequeme Verkehrsmittel und am Arbeitsplatz sind nur noch wenige körperlich gefordert. Um den Leib während des ganzen Lebens fit, geschmeidig und stark zu halten, werden Kinder darum schon in der Schule in viele Sportarten eingeführt – dies in der Hoffnung, dass sie etwas von der Freude an der Bewegung und am Spiel in ihr Leben hineinnehmen. Hierzu bieten sich Sportvereine an, auch staatlich geförderte oder gesponserte Anlässe und Wettkämpfe und neuerdings eine immer weitere Vielfalt von Gruppen- oder Einzeldisziplinen. Das Spektrum reicht von den eher äusserlichen Ertüchtigungen im Fitnessstudio oder beim Joggen bis zu den mehr innerlichen Disziplinen wie Tai Chi oder Yoga.
In diesen Bemühungen zeigen sich Elemente, die traditionell auch in religiösen Praktiken zu finden sind. Wie das Gebet im stillen Kämmerlein verrichtet werden kann oder gemeinsam in einem Gottesdienst, beginnen Einzelne den Tag mit Körperübungen oder einem Lauf durch den Wald. Andere bevorzugen die angeleiteten Übungen im Kraftraum oder die lockere Atmosphäre in der gemeinsamen Tanzstunde.
Einzelsport als Religion
Nun könnte man meinen, dass Sport und Religion sich von ihren Zielen her klar unterscheiden: Während es im Sport um körperliche Ertüchtigung, um Spiel oder Wettkampf geht, sucht die Religion ganzheitliches Heil, Moral und ewige Beheimatung. Doch immer weniger lassen sich die Bereiche Religion und Sport klar abgrenzen. Es kommt zu Überschneidungen, z.B. durch den Einfluss von fernöstlichen Kampf- und Meditationstechniken. Denn diese entstammen einer taoistisch oder konfuzianistisch geprägten Sicht des Menschen. Es geht in diesen fernöstlichen Disziplinen wie auch im hinduistisch geprägten Yoga um mehr als bloss körperliche Disziplin und Gesundheit. Geistesgegenwart ist zentral in diesen Übungen. Die ganzheitliche Menschwerdung kommt ins Blickfeld.
Dazu kommt, dass heute – je nach weltanschaulicher Ausrichtung – jeder und jede bei seinen sportlichen Übungen Grenzerfahrungen machen kann. Beim Krafttraining an einem Gerät und noch viel mehr draussen in der Natur wird der Alltag hinter sich gelassen. Eine innere Stille ohne Gedanken kann den Raum öffnen für spirituelle Erfahrungen oder einfach Glücksgefühle. In diesem Sinne werden heute die Grenzen zwischen Religion und Sport fliessend. Die Religion entdeckt die Mysterien des Körpers, der Sport erweiterte sich in die Sphäre des Geistes.
Der Kult um die Idole
Seit jeher werden Ahnen geehrt. Regierende inszenieren sich in Glanz und Pracht und jedes menschliche Interessengebiet kennt seine Idole, so auch der Sport. Der Personenkult gehört zum Menschen. An seinesgleichen kann er sich erheben. Im Christentum ist die Verehrung konzentriert auf Jesus Christus, durch den das Höchste, Gott selbst, erfahrbar wird. In der Liturgie der Messe wird diese Vermittlung kunstvoll zelebriert mit Einzug, Gesängen, Weihrauch, Gebet und symbolischen Handlungen. Bisweilen gleichen die Rituale um Herrschende, um Popstars oder Siegende im Sport jenen der Religion. Denn die Kunst des Zelebrierens haben die Religionen nicht für sich allein gepachtet. So sind auch hier die Grenzen fliessend, wo es um die sinnlich imposante Inszenierung von Idolen, echten, falschen oder gemachten, geht.
Das letzte Buch der Bibel, die Apokalypse, öffnet den Blick in den Himmel, wo allein Gott alle Verehrung zukommt. Auf Erden ist es anders.
Das 13. Kapitel beschreibt das Tier aus dem Abgrund, das sich zusammen mit seinem Propheten von der ganzen Welt verehren lässt. Diese von Macht und Geld inszenierte Verehrung bezog sich damals auf die Kaiser Roms, doch die Szenerien und Inszenierungen wiederholen sich in vielen Facetten. Daran erinnert die Apokalypse. Sie will uns dafür sensibilisieren und in uns die Frage wach halten, wem allein Macht und Ehre gebührt und wer wahres Heil schenkt.
Text: Andreas Schwendener | Bild: Toggenburg Tourismus – Kirchenbote SG, Februar 2017
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