Ruhekultur vor und nach der Reformation

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23.10.2017
Die geheiligte Ruhe als Element des geistlichen Lebens hat ihr Vorbild in der Ruhe Gottes am siebten Schöpfungstag — bei Christen am Sonntag gefeiert. Der Liturgiewissenschaftler Alfred Ehrensperger aus Uzwil (85) erzählt, wie der Sonntag in unserer Gegend vor und nach der Reformation geheiligt wurde.

Das Christentum hat die jüdische Sabbatruhe auf den ersten Tag der Woche, den Sonntag, verlegt – den Tag der Auferstehung Jesu und der frühen Versammlungen der Christen. In der westlichen Kirche wurde seit dem 13. Jh. bestimmt, dass jeder Christ am Ruhetag die Messe besuchen soll. Diese Pflicht gilt für Katholiken bis heute, doch wegen Priestermangel zählt seit 1983 auch die Samstagabendmesse.  

Gottesdienstpflicht
Die Reformation hat diese Pflicht nicht abgeschafft. Nur musste man fortan nicht mehr jeden Sonntag die Eucharistie empfangen, sondern die Sonntagspredigt hören. Auch in St. Gallen überwachten Stadtknechte den Predigtbesuch. Die vom Rat erlassenen Pflichtbesuche, welche selbst für die Nonnen in St.Katharina galten, wurden oft mit viel Fantasie umgangen. 

Für Jugendliche, Mägde und Knechte gab es am Sonntagnachmittag einen Wortgottesdienst, die spätere Kinderlehre. Da wurde die Bibel fortlaufend ausgelegt und das Unser Vater, das Glaubensbekenntnis und die Zehn Gebote rezitiert und erklärt – bis 1563 auch noch das Ave Maria. Die Besucher der Kinderlehre wurden dann vom Prediger examiniert. Wer die Prüfung bestand, wurde zum Abendmahl zugelassen, das nur an hohen Feiertagen stattfand. 

Auch während der Woche gab es Gottesdienste, z.B. in Krisenzeiten (Teuerung, Pest, Krieg) Bussgottesdienste. Messbesuche im katholischen Münster waren verboten. 

Gegen Heiligentage und Klöster
Die römische Kirche verordnete nicht nur die Messe am Sonntag. Auch Gedenktage für Heilige wie Gallus, Martin oder Maria galten als Feiertage. Diese waren den Bauern auf dem Land und den Zünften in der Stadt oft ein Dorn im Auge, da sie auch finanzielle Einbussen brachten. Die Reformation hat diese Heiligengedenktage als unbiblisch erklärt und abgeschafft. 

Zudem sollten fortan die Steuergelder nicht mehr den Klöstern, sondern den politischen Behörden zukommen. Gerade die städtischen Handwerker wollten lieber die oft verschuldeten Städte unterstützen, statt die Klosterkultur zu fördern. Zwingli wie auch Vadian hatten wenig Verständnis für das in Klöstern gelebte kontemplative Leben und das kunstvolle Psalmsingen. Beide begründeten die Aufhebung der Klöster mit biblischen Argumenten. Die Mönche des St.Galler Benediktinerklosters wurden 1529 vertrieben. Auch die im franziskanischen Frauenkloster St.Leonhard praktizierte ewige Anbetung oder das blühende Frauenkloster zu St. Katharinen waren in der Stadt nicht mehr geduldet. Nach Zwinglis Tod 1531 musste das Galluskloster wiederhergestellt werden. 

Die Gemeinde übt den Gesang
Für die festliche Stimmung in der Messe sorgten die Gesänge der Mönche und Priester, im St.Galler Münster von Orgeln begleitet. Demgegenüber waren die ersten reformierten Predigtgottesdienste in St. Gallen ohne Gesang. Für das Jahr 1527 sind im Jugendunterricht Psalmlieder bezeugt. 1533 wurde in St.Gallen das erste, vom Prädikanten Dominik Zilli zusammengestellte reformierte Gesangbuch verwendet. 

Vadian hat dargelegt, wie sich der Kirchengesang an der Urgemeinde neu orientieren soll: Er müsse massvoll sein, ein Ausdruck des Betens, und zwar in der Landessprache und von allen Gläubigen gemeinsam gesungen – was Gemeinden schon damals überfordert und teils zur Gesangsverweigerung geführt hat. 

 

Alfred Ehrensperger erzählte, notiert von as | Bild: © Stiftsbibliothek St.Gallen, Codex 542, Seite 262 – Kirchenbote SG, November 2017

 

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