«Schritt für Schritt, nicht in Sprüngen»
Als ich die Kommunität Diakonissenhaus Riehen BS betrete, weht mir vom Klostercafé ein süsslich-euphorisierender Kuchenduft in die Nase. In der grosszügigen Lobby des Hauses treffe ich Frère Marc, der heute im Klosterdorf in Riehen lebt. Als Heinz Rudolf an der Kunstgewerbeschule in Zürich als Grafiker ausgebildet, ist Frère Marc in den vergangenen Jahrzehnten als Gestalter von Glasfenstern für Kirchen international bekannt geworden.
Gemeinschaft von Taizé
Sein Weg habe ihn 1954 als 23-Jährigen in die ökumenische Gemeinschaft von Taizé geführt. Frère Marc lebte jeweils in Fraternitäten in Frankreich und Deutschland, während acht Jahren in Japan und anschliessend über zwanzig Jahre in Südkorea. «Erst kürzlich wurde mir klar, dass die Pilgermission St. Chrischona, deren Namen ich als Kind kannte, ja ganz in der Nähe von Riehen liegt. Das ist schon verwunderlich. Früher waren mir Orte wie Tokio oder Seoul einfach geläufiger.» Im Anschluss an das Taizé-Treffen in Basel Ende 2017 ergab sich sein Bezug zum Diakonissenhaus in Riehen. «Es entstand die Idee, im Diakonissenhaus mit meinen Bildern eine Ausstellung zu machen.» Seine erste Bilderausstellung datiert von September 2019. «Kurz vor Corona waren Ausstellungen ja noch problemlos möglich», sagt Frère Marc.
Vor drei Wochen beobachtete er in seinem mittlerweile permanent zur Verfügung gestellten Bilderkabinett ein etwa zwölfjähriges Mädchen, das zielstrebig auf eines seiner Bilder zusteuerte. Er habe mitgehört, wie das Mädchen seinen Eltern sagte, dass sie dieses – und nur dieses – Bild kaufen sollen. Die Klarheit in der Wahl habe ihn beeindruckt. «Es ist schön, wenn Menschen intuitiv spüren, was ihnen gefällt.»
Parallelen zwischen Malen und Bergsteigen
In vielen von Frère Marcs Bildern dominieren flächige, leuchtende Farben, die Raum für Interpretationen zulassen. Auch im hohen Alter widmet Frère Marc seinen Bildideen viel Zeit. Nicht immer entsteht gleich von Anfang an etwas Brauchbares. Dann lege er die Collage auf die Seite und versuche es später. Während unseres Gesprächs erkennen wir Parallelen zwischen dem Malen und dem Besteigen der Berge. Die im Prozess des Malens und Bergsteigens gemachten Erfahrungen sind anstrengend, zugleich aber auch beglückend.
Nicht immer sind die Anstrengungen jedoch von Erfolg gekrönt; manchmal muss man das Scheitern aushalten. «Wenn ich etwas anfange und noch nicht weiss, was daraus wird, dann mache ich zunächst etwas, das greifbar ist: Ich lasse mich ein auf das, was in unmittelbarer Nähe ist, zum Beispiel die Wahl des Formates des künftigen Bildes, des Materials, der Farben und des Papiers», erklärt Frère Marc. Das alles gehöre zu einem kreativen Vorgehen und habe mit Entscheidung zu tun. Man wage sich an die Sache, «Schritt für Schritt, nicht in Sprüngen». «Was mich besonders beschäftigt, ist die Kreativität in der Gemeinschaft, weil es mein Lebensthema ist.»
Vor zwei Jahren hat ihn die Ausstellung seiner Bilder ins Klosterdorf Riehen geführt. Dass er nun bis auf Weiteres in dieser Gemeinschaft leben dürfe, sei ein grosses Glück.
Toni Schürmann, kirchenbote-online
«Schritt für Schritt, nicht in Sprüngen»