Sehen und handeln

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03.03.2022
Seit 1969 gibt es jeweils sechs Wochen vor Ostern die Kampagne von Fastenopfer auf katholischer Seite und Brot für Brüder, dann Brot für Alle und heute HEKS auf evangelischer Seite. Seit 1994 ist auch die Organisation «Partner sein» der Christkatholischen Kirche dabei.

Gegenwärtig 

Die Kampagne 2022 reiht sich ein in die über fünfzig Jahre alte Tradition und folgt dem auch bei uns in den letzten Jahren mehr und mehr spürbar gewordenen Phänomen des sich verändernden Klimas. Und ebenfalls traditionell stehen Menschen aus anderen Kulturkreisen mit ihrem Erleben der Entwicklung im Zentrum der Erzählungen. Was sich bei uns noch etwas ambivalent bemerkbar macht mit grosser Hitze und auch rasch einbrechender Kälte oder Regen, ist andernorts in den letzten Jahren zur konstanten Bedrohung geworden und verunmöglicht gewissen Menschen das gewohnte Weiterleben. Wenn neben solchen Entwicklungen noch politisch radikale, polarisierende Kräfte die Oberhand gewinnen, sieht es für ganze Bevölkerungsteile in einem Land rasch nicht mehr gut aus. 

Sehen und handeln 

Die Tradition der Kampagnen will vom passiven Schauen hin zum eigenen persönlichen Engagement führen. Längst geht es nicht mehr darum, mit einer Spende beizutragen, dass Mittel fürs Überleben in Form von Nahrung, Häusern, Wassersystemen, Saatgut etc. bereitgestellt werden können. Es geht auch in der Kampagne 2022 darum, bei sich selber anzufangen. Seinen eigenen Lebensstil kritisch anzuschauen und Veränderungen einzuleiten, welche den Umgang mit Ressourcen verändern.

Globalisierung 

Seit 1969 ist die Kampagne ein Zeichen einer globalisierten Welt. Einer Welt, die einstmals von Westeuropa aus entdeckt, erobert und erneuert wurde. Kirchliches Wirken unter dem Blickwinkel einer überlegenen Kultur und der wahren Lehre trug ihren Teil zu dieser Weltveränderung bei. Doch die Zeiten und mit ihnen das kirchliche Wirken haben sich fundamental verändert. Längst ist Solidarität mit den Benachteiligten die Ausgangslage und das Engagement für Rechtlose und Verfolgte die Richtschnur. Es ist eine weltumspannende Tradition der kleinen Schritte vor Ort. Ein Training in der Wahrnehmung von anderen Kulturen und ein Einüben von Respekt gegenüber Menschen, die anders leben als wir es tun – und genauso Opfer des klimatischen Wandels werden, wie wir es werden.

Handeln und sehen 

Die Kampagne 2022 lädt einmal mehr ein, mit eigenen Aktionen einen Beitrag zu leisten und zu sehen, was dann geschieht. Ein lokaler Energiepfad, wo Fachleute mit Tipps auf Veränderungen hinweisen. Klimagespräche zum Thema «Mein Fussabdruck» generationenübergreifend in Zusammenarbeit mit Klimagruppen. Spirituelle Workshops, wo christlicher Lebensstil und seine Auswirkung auf die Schöpfung kritisch und ermutigend erfahren werden. Und dann die traditionellen Kampagneaktionen wie «Mit jeder Rose Gutes tun», wo in über 400 Gemeinden Rosen für 5 Franken verkauft werden. In den letzten Jahren kam eine digitale Variante hinzu. Unter www.give-a-rose.ch kann man eine virtuelle Rose erwerben, mit einer Widmung versehen und dann mit jemandem teilen. Und dann die Aktion «Brot zum Teilen». Lokale Bäckereien verkaufen Brot und 50 Rappen davon gehen an Kleinbäuerinnen und -bauern im Süden. Oftmals runden die Bäckereien den Betrag selber auf und so kommen mehr als 40‘000.00 Franken zusammen. Ideen, Aktionen und Resultate, seit 1969 Jahr für Jahr – und so auch 2022. Helfen Sie mit. Sehen Sie – handeln Sie! Die Kampagne dauert vom 2. März 2022 bis zum 17. April 2022

Die Tradition des Hungertuches 

Auch in diesem Jahr wird im Rahmen der Kampagne «sehen und handeln» wieder ein Hungertuch angeboten. Die Tradition der Hungertücher geht über 1000 Jahre zurück. Je nach Region werden sie auch Fastentücher, Leidenstücher oder eben Hungertücher genannt. Der Theologe Wilhelm Durandus von Mende bezeugte schon im 13. Jahrhundert. «Das Tuch, welches in der Fastenzeit vor dem Altar aufgehängt wird, versinnbildlicht den Vorhang, der die Bundeslade im Tempel verhüllte und beim Leiden von Jesus Christus am Kreuz zerriss. Nach diesem Vorbild werden heute noch Tücher von mannigfacher Schönheit gewoben.»

Fastenzeit neu deuten 

Im Rahmen der Fastenkampagnen erschien 1976 im Zusammenhang mit der neuen Sinndeutung der Fastenzeit das erste Hungertuch. Seither wird alle 2 Jahre in den Kampagnen dieses Element weitergeführt. Das Hungertuch als visuelles Transportmittel für zentrale thematische Aspekte der jeweils aktuellen Kampagne, verdeutlicht prägnant die Neuausrichtung der Sinndeutung der Fastenzeit. Globale Zusammenhänge in den Bereichen Kultur, Wirtschaft, Politik und Spiritualität ausgedrückt mit traditionellen künstlerischen Elementen, naiven Darstellungsweisen und abstrakten Formen laden ein, über die persönliche Befindlichkeit hinaus den Glauben als Quelle der Veränderung zu entdecken.

Entwirren 

«Du stellst meine Füsse auf weiten Raum – Die Kraft des Wandels» lautet der thematische Hintergrund des letzt- und diesjährigen Hungertuches. Wie immer ist die Betrachterin, der Betrachter aufgefordert, sich beim Betrachten Zeit zu lassen. Was hat das Gewirre von Linien mit einem Fuss zu tun? Was sollen die kleinen pflanzlichen Elemente und die Schmutzflecken? Es lohnt sich, das Meditationsbüchlein mit dem Titel «Entwirren» bei der Betrachtung bei sich zu haben und Anregungen zu erhalten. Und es lohnt sich das Betrachten in der Gruppe mit dem Austausch zum Thema «Fussabdruck und Lebensstil»   Heinz Mauch-Züger

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