Solidarität ja, aber nicht um jeden Preis
Drei neue Reglemente verabschiedete die Synode, das evangelisch-reformierte Parlament beider Appenzell, in erster Lesung am vergangenen Montag im Kantonsratssaal in Herisau. Die neue Kirchenverfassung wurde im Juni 2022 mit 85,5 Prozent angenommen. Synodalpräsident Marcel Steiner erläuterte, dass deshalb die Reglemente, also die Gesetze der Landeskirche, überarbeitet werden müssen. Im Vorfeld wurden über 50 Anträge eingereicht.
Keinen Finanzausgleich mehr für kleine Kirchgemeinden
Wie Kirchenrat Thomas Gugger anmerkte, sei der Entwurf des Reglements Finanzausgleich zukunftsgerichtet, da er die ungleiche Steuerkraft teilweise ausgleiche und nicht strukturerhaltend wirke. Er verzichte auf Anreize, welche kleine und kleinste Kirchgemeinden begünstigen. Kirchgemeinden, deren Mitgliederzahl unter 500 fällt, können demnach keinen Finanzausgleich mehr beziehen. Die Synodalen diskutierten teils emotional den Entwurf des neuen Reglements. Bereits bei den Vernehmlassungsantworten wiesen einige kleinere Kirchgemeinden auf die fehlende Solidarität hin. Kirchenratspräsidentin Martina Tapernoux informierte über eine Studie von Ecoplan, welche 2022 im Auftrag der Evangelischen-reformierten Kirche Schweiz EKS erstellt wurde. Diese geht davon aus, dass die Kirchensteuern ab 2045 schweizweit massiv abnehmen und dann auch die Mitgliederzahlen nochmals deutlich sinken werden. Somit werde es, nebst den fehlenden finanziellen Ressourcen, auch schwieriger, Mitglieder für Behörden zu finden. Für kleinere Kirchgemeinden treffe das verschärft zu. Der Kirchenrat hat deshalb seine Verantwortung wahrgenommen und präsentiere den Entwurf eines zeitgemässen Finanzausgleichs, welche die zu erwartenden Herausforderungen berücksichtige.
Härtefallausgleich über vier Jahre
Mit zahlreichen Wortmeldungen wehrten sich die Synodale und Kirchgemeindepräsidentin Miriam Sieber aus Wolfhalden und weitere Synodale gegen die «negativen Impulse», welche der neue Finanzausgleich gebe. Sie appellierten eindringlich an die Zusammengehörigkeit der Kirchgemeinden in der Landeskirche und an deren Solidarität: «Die Grossen unterstützen die Kleinen und in anderen Bereichen vielleicht auch umgekehrt». Zu den Kirchgemeinden, welche in den kommenden Jahren weniger Finanzausgleich erhalten, gehören Bühler, Wald, Wolfhalden, Reute-Oberegg und Hundwil. Diese profitieren über vier Jahre von einem Härtefallausgleich. Nach einigen Anpassungen folgten die Synodalen mit grossem Mehr dem Vorschlag des Kirchenrats.
Fachkräftemangel herrscht auch im Pfarrberuf
Im Mittelpunkt stand beim Entwurf des Reglements Kirchgemeinden das Mindestpensum der Pfarrerin oder des Pfarrers in einer Kirchgemeinde. Der Kirchenrat schlägt im Minimum ein Pensum von 50 Stellenprozenten vor. Er vertritt die Meinung, dass es unter 50 Stellenprozenten kaum mehr möglich sei, die gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben wahrzunehmen. Miriam Sieber wehrte sich gegen die Nennung eines Mindestpensums. Es solle möglichst wenig reglementiert sein, somit könnten die Aufgaben der Kirchgemeinden beispielsweise auch mit Sozialdiakoninnen oder Sozialdiakonen erfüllt oder mit grösseren Kirchgemeinden zusammengearbeitet werden. So könne dem Fachkräftemangel begegnet werden. Dagegen wehrten sich die beiden Pfarrerinnen im Kirchenrat, Regula Gamp Syring und Martina Tapernoux: «Wohin bewegen wir uns ohne Fachkräfte? Wo ist der Wert einer eigenständigen Kirchgemeinde, wenn kein Personal zur Verfügung steht?». Die Synode folgte der Argumentation des Kirchenrats. Das Reglement Finanzen nahmen die Synodalen einstimmig an. Die zweite Lesung der drei Reglemente findet an der Synode vom 27. November 2023 statt.
Solidarität ja, aber nicht um jeden Preis