Sparfuchs und Barfussdoktor
Er ist ein in der Wolle gefärbter Ur-Appenzeller, Chiropraktiker, Original, Naturfreund, Hobby-Historiker, Bibliothekar und liebenswürdiger Chaot. In der ganzen Region ist er bekannt als Barfussdoktor; in Zürich kennt man ihn als Bahnhofjodler im Appenzeller Hääs.
Seine Patienten nötigte er geradezu, Mitglied bei Pro Natura zu werden.
Sein Berufswunsch war Arzt. Ein «Doktor» ist er geworden, ein DC, «Doctor of Chiropractic». Als einer der ersten Schweizer studierte er in Toronto Chiropraktik. In Speicher eröffnete er die erste Chiropraktikpraxis im Appenzellerland. Später zog er nach Teufen. Hier baute er mit Hingabe Biogemüse und Früchte an.
Barfuss in löchrigen Schuhen
Barfuss ging er seit einer Erfahrung mit löchrigen Schuhen in Kanada: Er besass sehr wenig Geld und fand «wunderschöne» Schuhe mit intaktem Oberleder – und riesigen Löchern in den Sohlen. «Darin konnte ich keine Socken tragen; ich musste barfuss gehen», lacht er.
Er hatte nie ein Auto, nie ein Handy, keinen Schnickschnack. Liebe Hobbys sind, als Schwarzfahrer mit der Appenzellerbahn zu reisen und das Gesetz auszureizen: Auf dem Freudenberg bei Altstätten baute er einen Schafstall zum Schlafstall und Feriendomizil aus. Dort hielt er auch Hühner. Das trug ihm jahrelangen «Zoff» mit den Behörden ein. Für ihn war das «Action». Er braucht kein Kino.
Meistens sieht man ihn in braunen Hosen, Edelweisshemd und Hosenträgern. Alles Appenzellische ist ihm kostbar. Als mal ein Hund bellte, fragte er empört: «Was bellt denn da?» Die Antwort: «Ein Appenzeller Bläss.» Rohner darauf: «Der darf bellen.»
Lieblingstier «Glögglifrosch»
Seine Patienten nötigte er geradezu, Mitglied bei Pro Natura zu werden. Sein Lieblingstier ist der «Glögglifrosch», die gefährdete Geburtshelferkröte. Im Oberstall ob Altstätten wertete er das Ried ökologisch auf. Dafür erhielt er 2002 einen Anerkennungspreis von Pro Natura.
Mit Begeisterung sammelte er «Appenzellica»: Bücher und Antiquitäten. In Speicher führte er ein Hol- und Bringlädeli für Bücher. Im Finden ist er Meister. Aus einer Mulde rettete er die Underwood des Schriftstellers Peter Morger mit der Aufschrift «Intelligente Schreibmaschine». Die Eingangstür des «Ochsens» in Teufen nahm er beim Abbruch mit und befestigte sie an seiner Hauswand. Seine Leidenschaft sind kostbare alte Stiche und Landkarten, Bibeln aus dem 17. und Appenzeller Kalender aus dem 18. Jahrhundert.
Menschen mit einem derart geringen ökologischen Fussabdruck gibt es heute fast nicht mehr. Am 21. Januar 2016, einen Tag vor seinem 82. Geburtstag, verstarb Hans Rohner in seinem Haus in Niederteufen.
Text: Margrith Widmer, Teufen | Foto: zvg – Kirchenbote SG, Januar 2019
Sparfuchs und Barfussdoktor