Sprengung der Scheidemauer

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22.10.2018
Luther war katholisch. Der spätere Reformator war zuerst Augustinermönch und arbeitete als römisch-katholischer Theologe. Die Reformation, welche er auslöste, führte zu einer Abspaltung von seiner Heimatkirche. Schauen wir heute auf die Errungenschaften von 500 Jahren Reformation zurück, so ist die Kehrseite eine 500-jährige Kirchen­spaltung.

In St. Gallen wurde diese Abspaltung besonders gut sichtbar. Die Differenzen zwischen der reformatorischen Stadt und der
römisch-katholischen Fürstabtei führten 1566 zur Aufrichtung einer Scheidemauer. Sie trennte den Klosterbezirk von der Stadt. Erst zwischen 1807 und 1841 wurde diese Mauer in mehreren Schritten abgebrochen.

Sehnsucht sichtbar machen
Als Teil der Reformationsfeierlichkeiten gab es am 31. August eine Erinnerung an diese Mauer. Unter dem Titel «Sprengung der Scheidemauer» wurde in einem symbolischen Akt eine Mauer aus Harassen zwischen St. Laurenzenkirche und Kathedrale abgebrochen. Darauf begegneten sich Bischof Markus Büchel und Kirchenratspräsident Martin Schmidt auf der Strasse zum 

Gespräch. 

«Die symbolische Sprengung der Scheidemauer erinnert an die Überwindung der Feindseligkeiten zwischen den Konfessionen», sagt Bischof Markus Büchel. «Das Reformationsjubiläum hat auch bei uns gezeigt, dass die Zukunft der Kirchen nur noch in
einem versöhnten Miteinander möglich ist. Dafür sind wir dankbar, und daran wollen wir weiterarbeiten. Der lange Tisch mit Brot und Wein zwischen Vadiandenkmal und Kathe­drale macht die Sehnsucht sichtbar, auch am Abendmahls- und Eucharistietisch voll vereint zu sein.» Ganz ähnlich äussert sich Martin Schmidt: «Ich habe die Sprengung der Mauer zwischen dem katholischen Stiftsbezirk und der reformierten Stadt als ein starkes Symbol gefunden. Dass Bischof Markus Büchel und ich dann aufeinander zugegangen sind, um gemeinsam Brot und Wein zu teilen, ist für mich ein hoffnungsvolles
Zeichen.»

Die Leuenberger Konkordie
Es ist ein «Weiterarbeiten», denn erreicht ist das Ziel noch nicht. Es gibt noch klare Differenzen, beispielsweise zur Eucharistie und zum Abendmahl. Martin Schmidt erinnerte daran, dass dieser Punkt schon innerhalb der evangelischen Kirchen lange Zeit ungelöst war. Erst in den 1970er-Jahren gelingt es der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) in der «Leuenberger Konkordie» einen Durchbruch zu erzielen. «Wenn es den verschiedenen evangelischen Kirchen gelang, das gemeinsame Abendmahl einzuführen, dann muss das auch zwischen katholischen und evangelischen Christen möglich werden. Auch innerhalb einer Konfession denken und glauben ja nicht alle gleich.»

Ein weltweiter Konsens
Diese lokalen Annäherungen sind wichtig, aber zur Umsetzung ist es noch ein langer Weg. Markus Büchel erklärt: «Da ist noch viel theologische Arbeit notwendig, weil damit zusammenhängend auch das Amtsverständnis in den verschiedenen Kirchen geklärt werden muss. Dies kann nicht auf Gemeinde-, Kantons- oder Bistumsebene geschehen, sondern bedingt bei uns Katholiken einen weltweiten Konsens. Die Türen für diesen Weg sind allseits geöffnet und es bleibt die Verheissung, dass Gottes Geist uns führt.» Auch auf europäischer Ebene nähern sich die Kirchen an. Davon wurde bereits in der Oktober-Ausgabe 10/18 des Kirchenboten auf Seite 14 berichtet. 

 

Text | Foto: Karsten Risseeuw  – Kirchenbote SG, November 2018

 

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