Täufer, Pietisten und Kulturkampf

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29.11.2017
Vor 500 Jahren schlug Luther seine Thesen an. Für die Thurgauer Landeskirche beginnt die Reformation aber bereits 200 Jahre früher. Eine Publikation stellt die wichtigsten Akteure von Jan Hus über Luther und Zwingli bis zu Karl Barth vor und wagt einen Ausblick in die Zukunft.

2017 feierten die Protestanten Luthers Thesenanschlag und den Beginn der Reformation. Der religiöse Aufstand erschütterte Europa bis auf die Grundmauern. Doch die Reformation war nicht ein einmaliges Ereignis, sondern geschah punktuell an den verschiedensten Orten. Je nach historischer Situation hatte die Bewegung ein anderes Gesicht.

Auch weniger bekannte Reformatoren
Die neue Publikation, die der Evangelische Kirchenbotenverein des Kantons Thurgau herausgibt, zeigt dies eindrücklich in 44 Beiträgen. Sie schildern nicht nur das Leben der bekannten Reformatoren wie Calvin, Luther, Vadian und Zwingli, sondern gehen auch auf die reformatorischen Grössen aus der zweiten Reihe wie Blarer, Bucer, Haller oder Kessler ein. Sie erschliessen Zusammenhänge des Pietismus, der Täuferbewegung, der liberalen Theologie oder des Kulturkampfs und werfen einen Blick über die Landesgrenzen hinaus zum Anglikanismus in Grossbritannien, nach Südafrika, Osteuropa, Asien und Südamerika.

Schon früh thematisierte man im Thurgau das Reformationsjubiläum. «Wir realisierten, dass wir der Fülle von Themen nur mit einem mehrjährigen Schwerpunktthema gerecht werden können», sagt Kirchenbote-Chefredaktor Roman Salzmann. 2014 erschienen im Thurgauer Kirchenboten die ersten Beiträge über die prägenden Protagonisten und Ereignisse der reformatorischen Wirkungsgeschichte.

An der Weltausstellung in Wittenberg
Der Aufwand und der Durchhaltewille hätten sich gelohnt, so Roman Salzmann. Immer wieder sei er auf die Beiträge angesprochen worden. Eine Auswahl lag am Stand des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds an der Weltausstellung Reformation in Wittenberg auf, um die Reformationsgeschichte in der Schweiz zu dokumentieren. Auch die Katholiken interessierten sich für die Aufsätze und übernahmen einige für ihr Blatt «Forum Kirche». Und ein deutscher Lehrmittelverlag habe angefragt, ob er die Beiträge verwenden dürfe, denn sie eignen sich gut für den Unterricht, sagt Roman Salzmann.

Positive Reaktionen führten zum Sammelband
Edi Ulmer, Präsident des Kirchenbotenvereins, erinnert sich ebenfalls an eine erfreuliche Rückmeldung: «Eine Leserin machte mich darauf aufmerksam, dass sie die doppelseitigen Beiträge fein säuberlich aufbewahre.» Solche Rückmeldungen hätten den Vorstand dazu bewogen, zum Abschluss des Reformationsjubiläums 2017 einen Sammelband mit allen Dossiers herauszugeben, erklärt Ulmer. «Die umfangreiche Publikation rückt das breite und inspirierende Spektrum an Persönlichkeiten und Ereignissen der Reformation mit Einfluss auf den Thurgau in den Fokus und macht deutlich, was die Evangelischen geprägt hat.»

«Freiwilligkeitskirche»: Modell für die Zukunft?
Die Publikation schliesst mit einem Ausblick in die Zukunft. Der Thurgauer Kirchenratspräsident Wilfried Bührer plädiert darin für eine «Freiwilligkeitskirche», die vom Einsatz ihrer Mitglieder getragen und verantwortungsbewusst geleitet werde. Die Zukunft gehöre «einem Nebeneinander von mit Steuern und mit freiwilligen Mitteln finanziertem kirchlichem Leben».

Edi Ulmer ergänzt, die Publikation trage dazu bei, den reformatorischen Grundsatz hochzuhalten, dass sich die reformierte Kirche ständig reformieren muss. Ulmer zitiert den deutschen Pfarrer Klaus Douglass: «Wer will, dass die Kirche bleibt wie sie ist, will nicht, dass die Kirche bleibt.»

Cyrill Rüegger, kirchenbote-online, 29. November 2017

«500 Jahre Reformation – Prägende Menschen und Ereignisse: Rück- und Ausblick», ISBN 978-3-033-06454-6, Evangelische Landeskirche Thurgau

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