Eine Bildbetrachtung

Tierische Freude

von Andrea Anker, Pfarrerin in Teufen
min
01.11.2024
Als Jesus geboren wurde, waren seine Eltern nicht in Weihnachtsstimmung. Mangels Platz in der Herberge hatten sie sich in einem Stall einquartieren müssen. Erschöpft und traurig starrte Joseph in die Dunkelheit.
Geburt Christi, Ausschnitt aus einer Miniatur aus dem Perikopenbuch aus St. Erentrud in Salzburg, 12. Jh. | Foto: zVg

Was nun? Würde er die Familie in diesen unruhigen Zeiten heil nach Hause bringen und das Kind und Verfolgung bewahren können? Es sah alles so düster aus.

Doch nicht für alle. Ochs und Esel wussten: In ihrer Futterkrippe lag der Messias! Das morsche Holzgestell verwandelte sich in eine kleine Kapelle. Sie fühlten sich wie im Himmel, von Engeln umringt. Sie freuten sich tierisch: Wie ein Ochse sich freut, der sich Tag für Tag auf dem Feld abrackert und nun hier mit seiner feuchten Zunge das Jesuskind liebkosen darf. Und wie ein Esel sich freut, der sein Dasein als Lastenschlepper fristet, und nun hier mit seinem Atem Gottes Sohn wärmen kann. Da scheint plötzlich etwas auf von der von Jesaja verheissenen neuen Schöpfung, dem endzeitlichen Frieden, der auch den Tieren gilt. Dass den Engeln ob des euphorischen Wieherns und herzhaften Brüllens das Singen ein bisschen verleidet war, wie es ihre missmutig aufeinander gepressten Lippen andeuten, kümmerte die beiden Tiere wenig.

Ochs und Esel lehren uns den Sinn fürs Wesentliche: Gottes Gegenwart im Hier und Jetzt wahrzunehmen, uns zu konzentrieren auf das, was an guten Gaben uns gegeben ist, so dass Frieden einkehrt ins Herz. Wenn sich Joseph, statt in die Dunkelheit zu starren, nur einmal umdrehen würden, sähe auch er das Licht und das Jesuskind, das ungeduldig zu ihm hinüber schaut: Hey, komm schon! Schau mich an und nimm mich in den Arm!

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