«Unbegleitete Minderjährige brauchen besonderen Schutz»

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02.09.2016
Hilfswerke und Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Rückweisung von Flüchtlingen an der Schweizer Grenze im Tessin. Die Schweiz müsse insbesondere unbegleiteten Minderjährigen Schutz gewähren, fordert das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz Heks.

An der Schweizer Südgrenze spitzt sich die Lage der Flüchtlinge zu. Die Tessiner Politikerin Lisa Bosia Mirra wurde am Donnerstag als Schlepperin festgenommen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr vor, vier minderjährige Migranten aus Italien über die Grenze geschmuggelt zu haben. Die Gründerin einer Flüchtlingshilfeorganisation kritisierte zuvor den Umgang mit unbegleiteten Minderjährigen an der Südgrenze.

Das Vorgehen der Behörden gleiche einer Blackbox bemängelt die Schweizerische Flüchtlingshilfe SFH die «intransparente» Praxis der Personenkontrollen. «Es ist nicht klar, nach welchen Kriterien kontrolliert wird und ob die Kontrollen im Einklang mit den Regeln der Schengen-Assoziierung stehen, die für die Schweiz bindend sind.» Die Schutzsuchenden seien «sehr schlecht über ihre Rechte und generell über ihre Situation an der Grenze informiert».

Gegen Uno-Kinderrechtskonvention
Der Umgang mit unbegleiteten Minderjährigen bereitet der Flüchtlingshilfe besondere Sorgen. In der Dachorganisation sind auch die kirchlichen Hilfswerke vertreten, so das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz Heks. «Unbegleitete Minderjährige brauchen besonderen Schutz und müssen unabhängig vom Dublin-Verfahren in der Schweiz aufgenommen werden», sagt auf Anfrage Dieter Wüthrich, Heks-Medienbeauftragter. Offenbar habe es Fälle gegeben, wo Flüchtlinge direkt von der Grenze in den Zug zurück nach Italien geschafft wurden. Wenn Minderjährige am Grenzübertritt gehindert werden, verstösst das gemäss Amnesty International gegen die Uno-Kinderrechtskonvention.

Genauer hinschauen
Amnesty schätzt, dass die Grenzwache seit Anfang Juli 63 Prozent der Flüchtlinge nach Italien zurückgeschickt hat, während es zwischen Dezember und Juni lediglich zehn Prozent gewesen seien. Diese Praxis widerspreche internationalem Recht. Auch das Heks fordert, genauer hinzuschauen. «Alle müssen die Möglichkeit haben, ein Asylgesuch zu stellen», betont Dieter Wüthrich. Das Grenzwachtkorps müsse ausnahmslos alle Fälle, bei denen ein Asylgesuch gestellt wird, dem Staatssekretariat für Migration weitergeben, selbst dann, wenn der Verdacht bestehe, dass jemand untertauchen wolle, schreibt die Flüchtlingshilfe.

Im September nimmt die Schweiz im Rahmen des EU-Umverteilungsprogramms von Italien 200 Asylsuchende auf. Insgesamt will die Schweiz gemäss den Informationen der Flüchtlingshilfe Italien 900 Asylsuchende abnehmen.

Noch keine humanitäre Soforthilfe
Unterdessen berichten Medien von unhaltbaren Zuständen in den Flüchtlingscamps rund um Como und in Mailand, wo Tausende gestrandet sind. Die Menschenrechtsbeobachterin Sarah Spiller nahm für das Heks einen Augenschein vor Ort. «Wir wollten wissen, wie dramatisch die Situation in Como wirklich ist. Ob wir allenfalls humanitäre Soforthilfe leisten können», erklärt Dieter Wüthrich. Die Abklärungen ergaben, dass dies zurzeit nicht notwendig ist. Man behalte die Entwicklung aber weiterhin im Auge, so Wüthrich.

Im Verlauf von nächster Woche schaltet das Heks Sarah Spillers Blog mit ihrem Augenzeugenbericht auf. Dies im Rahmen der Kampagne «Farbe bekennen», die Heks im Frühling lancierte. Auf der Plattform www.farbe-bekennen.jetzt finden sich mittlerweile zahlreiche Veranstaltungen und Initiativen für Flüchtlinge.

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

Karin Müller / Kirchenbote / 2. September 2016

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