Jubiläumsschwingfest in Appenzell

Verschoben ist nicht aufgehoben

von Heinz Mauch-Züger
min
01.08.2024
Mit dem Jubiläumsschwingfest zum 125-jährigen Bestehen des Eidgenössischen Schwingerverbandes (ESV) war für 2020 in Appenzell der entsprechende Anlass vorgesehen. Es kam anders. Die Fragen von damals sind geblieben: Wie kam Appenzell zur Ehre der Austragung? Was bedeutete der Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 für die Organisatoren? Reto Mock, Präsident des OK, liefert Antworten.

Reto Mock beschreibt, wie es 2016 begann mit dem Hinweis des Tourismus-Geschäftsführers Guido Buob, der Jubiläumsanlass werde ausgeschrieben. Diese Information führte dazu, dass man im Schwingklub Appenzell die Köpfe zusammensteckte und mit Anlasserfahrenen vom Turnverein und Aussenstehenden in Appenzell die Ausgangslage anschaute. Man beschloss, ein Bewerbungsdossier zu erstellen und einzureichen. Zusammen mit dem Dokumentarfilmer Thomas Rickenmann wurde ein aufwändiger Bewerbungsfilm produziert. Mitbewerber an der entscheidenden Versammlung des «eidgenössischen Schwingerparlamentes» im März 2017 waren die Städte Bern, Luzern und Neuenburg.

Vor der Lancierung der Innerrhoder Bewerbung wurde mit den St.Gallern geklärt, ob sie sich auch bewerben würden. Ihr Fokus lag damals jedoch auf der Bewerbung für die Durchführung des Eidgenössischen von 2025. Heute wissen wir, der Entscheid fiel zugunsten von Mollis im Kanton Glarus aus.

Für das Jubiläumsschwingen werden als eine Art Maskottchen typisch appenzellische Figuren, wie wir diese vom Motiv  des Alpaufzuges kennen, hergestellt. Gefertigt werden sie von Sämi Frick aus Urnäsch. Foto: zVg

Für das Jubiläumsschwingen werden als eine Art Maskottchen typisch appenzellische Figuren hergestellt, wie wir diese vom Motiv des Alpaufzuges kennen. Gefertigt werden sie von Sämi Frick aus Urnäsch. Quelle: zVg

 

Vergeben wurde der Anlass von der eidgenössischen Abgeordnetenversammlung des Eidgenössischen Schwingerverbandes. Es gab drei Wahlgänge, in der immer die stimmenschwächste Kandidatur ausschied. Am Ende standen sich noch Neuenburg und Appenzell gegenüber.

Die Appenzeller warfen in die Waagschale, dass dieser Anlass für das Appenzellerland die einzige Möglichkeit sei, einen eidgenössischen Anlass durchzuführen, da für ein übliches eidgenössisches Schwingfest schlichtweg die räumlichen Voraussetzungen (Festgeländeflächen und öffentlicher Verkehr) nicht gegeben seien. Letztlich erhielt Appenzell den Zuschlag. Die offizielle Feier des Verbandes wurde dann als Ausgleich am 6. November 2021 mit viel Prominenz im neuenburgischen Colombier durchgeführt.

Seit dem «Eidgenössischen 2010» in Frauenfeld, werden hellere und dunklere Hosen verwendet. Das soll die Schwinger für die Zuschauer kenntlicher machen. Schwingerhosen werden nur von drei Herstellern in der Schweiz produziert. Die Zwilchhosen in Appenzell stammen von Paul Eggimann aus Sumiswald. Vor dem Turnier werden die Hosen vom Schwingklub Appenzell «eingeschwungen», damit sie am Fest nicht zu starr sind. Foto: hmz

Seit dem «Eidgenössischen 2010» in Frauenfeld, werden hellere und dunklere Hosen verwendet. Das soll die Schwinger für die Zuschauer kenntlicher machen. Foto: hmz

 

Reto Mock beschreibt, wie die Vorbereitungsarbeiten nach dem Zuschlag umgehend an die Hand genommen wurden. Dank einem Organisationskomitee mit äusserst erfahrenen Leuten im Bereich Durchführung öffentlicher Anlässe und dem guten Kontakt unter den Schwingern und zu den Turnvereinen fand sich schon bald eine leistungsfähige Crew zusammen, die hochmotiviert ihre Arbeit aufnahm.

Als dann im März 2020 die Corona-Pandemie die schon weit gediehenen Vorbereitungen jäh zu einem Stopp zwangen, wurde es komplizierter. Ein Jahr verschieben? Die Pandemieentwicklung verhiess nichts Gutes. Die jährliche Schwingagenda mit mehr als 80 Anlässen – ohne die eidgenössischen Feste und das Kilchberger-Schwinget – bereits recht voll. Eine Verschiebung, so Reto Mock, musste deshalb mit dem Eidgenössischen- und den Teilverbänden gut abgesprochen werden. Nach intensiven Abklärungen bot sich 2024 für eine weitere Austragung an. Ob ein, zwei oder vier Jahre Verschiebung spielte da keine so grosse Rolle mehr.

Seit 2020 stehen die beiden Schwinger im Kreisel nach Gais und Weissbad. Foto: hmz

Seit 2020 stehen die beiden Schwinger im Kreisel nach Gais und Weissbad. Gestaltet sind sie aus einem Mammutbaum des Parkplatzes des Spitals Walenstadt. Dieser musste wegen Sturmgefährdung auf dem Gelände gefällt werden. Gestaltet wurde die Statue von Dominik Hollenstein, St.Gallen und seinem Berufskollegen Guido Neff, Appenzell. Foto: hmz

 

Wie die ursprüngliche Benennung des kommenden Anlasses aufzeigt, fand die Gründung des Eidgenössischen Schwingerverbandes 1895 statt. Die genauen Ursprünge sind nicht feststellbar. Ringkämpfe waren von alters her in verschiedenen Kulturen bekannt. Das Ringen der klassischen Zeit Griechenlands hat bis heute als olympische Sportart überlebt. Mit der Gründung des Eidgenössischen Schwingerverbandes ging dann auch eine Vereinheitlichung der Regeln und Vorschriften im Wettkampf selbst und im Umfeld der Festdurchführung einher. Die grosse Beliebtheit dieses Wettkampfes wurde von der Obrigkeit nicht immer geschätzt und entsprechende Verbote und Einschränkungen sind aus der sittenstrengen Zeit des 16. und 17. Jahrhunderts aus einigen Kantonen bekannt. Gelten heute Schwingfeste, auch mit tausenden von Besuchenden, als ausserordentlich friedliche Anlässe, wurde das nicht immer so gesehen. Der harte Kampf des «Hoselupfs» und die festliche Ausgelassenheit der Zuschauenden – und das noch am geheiligten Sonntag – gefährdete Sitte und Anstand.

Reto Mock, selbst zwanzig Jahre als Schwinger und darüber hinaus unter anderem als Verbandspräsident und Speaker am Schwägalpschwinget aktiv, kennt die Anlässe und die Rahmenbedingungen, die von Seiten Verband an die Durchführung eines solchen Anlasses gestellt werden. Gegenwärtig fasst die Schwingarena 17 500 Sitzplätze, 2 000 Stehplätze und ein entsprechend angepasstes Festgelände. Im Unterschied zu herkömmlichen «Eidgenössischen» existiert beim Jubiläumsschwingfest kein Gabentempel. Gleich wie an den sonstigen eidgenössischen Festen sind die Lebendpreise – die als solche oder im Gegenwert als Geld mitgenommen werden können – reserviert für die Erstplatzierten.

Jeder der 120 teilnehmenden Schwinger erhält als Andenken einen speziellen für diesen Anlass angefertigten Appenzeller Gurt. Kreiert und gefertigt wird das Schmuckstück vom einheimischen Goldschmied Sebastian Fässler. Foto: zVg

Jeder Schwinger erhält als Andenken einen Appenzellergurt. Foto: zVg

 

Neben der Corona-Pandemie, die dank gutem Kontakt mit den Verbänden, den Sponsoren und der Routine des Organisationskomitees sehr zufriedenstellend bewältigt werden konnte, stehen jetzt die Helfereinsätze für den Aufbau mit Armee- und Zivilschutzunterstützung, die Festdurchführung und die Bewältigung der verkehrsmässigen Gegebenheiten als aktuelle Herausforderungen vor der Tür. Notwendig sind ca. 2 500 Helferinnen und Helfer. Die Verbundenheit in den Verbänden und Vereinen über die Kantonsgrenze hinaus bietet eine solide Basis für eine reibungslose Durchführung. Das Jubiläumsschwingfest dauert nur einen Tag, es braucht also nicht unbedingt viele Übernachtungsmöglichkeiten. Das Organisationskomitee will bewusst den festlichen Teil auf den Festtag legen. Reto Mock hofft, dass die Annahmen zum Besuchendenaufmarsch realistisch sind. Die Tickets sind alle verkauft, Platz für die Helfenden bei einer Pause ist vorhanden. Schwinganlässe verlaufen trotz hohem Krafteinsatz im Sägemehl friedlich. Fairness gilt nicht nur unter den Schwingern, sondern auch im Publikum als hoher Wert. Jetzt braucht es nur noch etwas Wetterglück und der Anlass wird garantiert ein Vollerfolg.

Einen herzlichen Dank an Reto Mock für die ausführliche Schilderung des Werdeganges zum Jubiläumsschwingfest 2024. Das Gespräch mit Heinz Mauch-Züger fand Anfang Juli 2024 statt.

Home | Eidgenössisches Jubiläums-Schwingfest 2024 in Appenzell (appenzell2024.ch)

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