Verzichten oder geniessen? – Eine Kontroverse
Ein Schluck Wasser war alles, was ich mir wünschte. Ich war am Wandern und hatte dummerweise zu wenig Wasser eingepackt. Der Durst war so intensiv, dass alles andere an Bedeutung verlor. Das Einzige, was zählte, war Wasser.
Kein Leiden um des Leidens Willen
Hatte der unfreiwillige Wasserverzicht auch etwas Gutes? Sollte ich gar öfter darauf verzichten, um den intensiven Durst zu erleben? Ich meine Nein. Denn beim Wandern auf Wasser zu verzichten ist weder gesund noch sinnvoll. Und Leiden um des Leidens Willen möchte ich nicht. Ähnlich verhält es sich mit Konsumgütern: Ein leckeres Stück Torte, ein kühles Bier, das praktische Smartphone – natürlich sind diese Dinge nicht lebensnotwendig, anders als Wasser. Aber sie machen Freude. Daran ist nichts Schlechtes, im Gegenteil: Gemeinsames Geniessen verbindet.
Folgen des Konsums bedenken
Gewiss, es gibt gute Gründe, sich zu mässigen. Es bekommt mir nicht gut, wenn ich täglich Torten verzehre, Bier trinke und ständig ins Smartphone glotze. Und mein Konsum hat Folgen für meine Mitmenschen und die Umwelt, etwa mein Fleischkonsum oder der Kauf von Elektronikartikeln.
Kein religiöses Gesetz
Zwingli hat sich zu Beginn der Reformation für die Abschaffung der Fastengesetze stark gemacht. Es ging ihm darum, aus dem Verzicht kein religiöses Gesetz zu machen. Wohl aber wollte er Verantwortung für die gesellschaftlichen Folgen des Handelns übernehmen, wie sein Engagement gegen das Söldnerwesen zeigt. Was heisst das für heute?
365 Tage im Jahr
Wenn ich zu oft ins Smartphone glotze, lege ich es weg. Wenn ich zu viel trinke, mache ich eine Bierpause. Ich kaufe keine unnötigen Elektronikartikel. An 365 Tagen im Jahr. Doch wenn ich nach der Wanderung einkehre, freue ich mich dankbar über ein kühles Bier und eine knackige Wurst. Auch in der Passionszeit.
Wie Kim Etter über die Frage des Verzichts oder des Geniessens denkt, lesen Sie hier.
Text: Stefan Degen | Foto: Pixabay – Kirchenbote SG, Februar 2020
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