Vom Hallenbad zur Abdankung

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25.03.2021
Niemand kennt die Kirchen so gut wie die Mesmerinnen und Mesmer. Sie sind die guten Seelen der Kirchenräume. Eine von ihnen ist Tanja Heierli aus Walenstadt.

Bevor Tanja Heierli im Turm die Luke zu den Glocken öffnet, überprüft sie die Uhrzeit. Denn oben ist es lebensgefährlich: Beginnen die fünf zentnerschweren Glocken zu läuten, so bleibt kaum Platz zum Ausweichen. Dennoch ist dies Heierlis Lieblingsort in der Kirche. «Wenn ich ein Märchen schreiben würde», sagt sie, «würde es von einem Mädchen handeln, das im Glockenturm wohnt.»

Mehr als ein Job: eine Herzensangelegenheit

Heierli betreut mit einem 20-Prozent-Pensum die reformierte Kirche Walenstadt als Mesmerin. Daneben arbeitet die dreifache Mutter als Bademeisterin im Hallenbad. Sie schätzt die Abwechslung: «Manchmal erteile ich am Morgen im Badekleid einen Schwimmkurs. Dann ziehe ich mich um und gehe für eine Abdankung in die Kirche. Danach ziehe ich mich wieder um und putze.» Der ständige Wechsel störe sie nicht, im Gegenteil: «Ich bin jeweils voll da in meiner Rolle und fühle mit den Menschen mit.» Mit der Kirche in Berührung kam Heierli durch das Eltern-Kind-Singen, an dem sie mit ihren Zwillingen teilnahm und das von der Pfarrerin geleitet wurde. Als der damalige Mesmer die Stelle wechselte, fragte die Pfarrerin in die Runde, ob jemand Interesse hätte. Heierli biss an: «Ich dachte, ich könne bei diesem Job die Arbeit flexibel einteilen.» Das war vor sechs Jahren. Inzwischen sei es aber viel mehr als ein Job: «Mesmerin zu sein, ist eine Herzensangelegenheit», schwärmt die 37-Jährige.

Öffentlicher Park im Kirchgarten

Vor drei Jahren ist der Garten um die Kirche neu gestaltet worden. «In Walenstadt fehlte ein Ort, wo die Menschen verweilen können», erzählt Heierli. Es gebe zwar den See. «Aber nicht immer will man zum See.» Deshalb öffnete die Kirchgemeinde den Kirchgarten. Tische und Bänke laden zum Picknicken ein, eine Lesebank zum Verweilen, eine Feuerstelle zum Grillieren. Für die Kinder steht eine Spielkiste bereit. «Der Kirchgarten ist gut besucht, auch von Leuten, die wenig Bezug zur Kirche haben», stellt Heierli fest. Und da die Kirche selbst offen ist, statten viele auch ihr noch einen Besuch ab.

 

«Die Kirche ist ein spezieller Ort. Ich putze sie für die Gemeinschaft.»

 

Welche Veränderungen wünscht sich die Mesmerin an der Kirche Walenstadt? Heierli überlegt, und nennt drei Dinge: «Ein grösseres Kirchenzimmer für den Kirchenkaffee. Und dass man von der Empore besser ins Kirchenschiff sieht.» Der dritte Wunsch aber betrifft nicht das Gebäude: Dass die Mesmerinnen zum Ausflug der Kirchenvorsteherschaft (Kivo) eingeladen werden. «Wir gehören zwar nicht der Kivo an, aber irgendwie gehören wir ja doch dazu.»

Kirche ist gefüllt mit Leben

Neben dem Glockenturm hat Heierli noch einen zweiten Lieblingsort in der Kirche: den Eingangsbereich. Dort begrüsst sie die Menschen zum Gottesdienst, verabschiedet sie, ist gastfreundlich. Sie kennt die Kirchgängerinnen und Kirchgänger: «Wir sind eine Gemeinschaft.» Deswegen sei die Kirche für sie ein spezieller Ort. «Ich habe auch andere Gebäude geputzt. Diese haben kein Innenleben.» In der Kirche aber putze man nicht einfach einen Raum. «Man putzt für die Gemeinschaft, für die Öffentlichkeit, die das schätzt und Leben in die Kirche bringt. Der Bezug zum Raum ist ganz anders.»

Begegnungen fehlen

Dass im ersten Lockdown alle Gottesdienste abgesagt werden mussten, war für Heierli deprimierend: «Das Gebäude war nicht mehr mit Leben gefüllt.» Sie hätten zwar Stationen dekoriert, damit die Menschen individuell in die Kirche kommen konnten. Aber die Begegnungen fehlten. «Auch jetzt ist es noch nicht wie früher», bedauert Heierli. «Es gibt keinen Kirchenkaffee mehr, die Begegnungen sind flüchtiger.» Und es gebe Leute, die erst wieder in die Kirche kämen, wenn die Pandemie vorbei sei. Das seien vielleicht nur vier oder fünf. «Aber sie fehlen.»

Text | Foto: Stefan Degen – Kirchenbote SG, April 2021

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