Vom Suppentopf zur spanischen Armada
Eigentlich wollte der Zürcher Buchautor Kaspar Schnetzler einen Roman über den spanischen Suppentopf schreiben, einen Topf aus Zinn und Kupfer, der im 16. Jahrhundert den Weg samt Kochrezept vom Sevilla nach Zürich fand und in Zürcher Patrizierfamilien bei besonderen Anlässen auf den Tisch kam. Doch was als Recherche über einen Suppentopf begann, endete bei der spanischen Armada.
Schnetzler schrieb einen Roman über den Aufstieg der Familie Füssli während der Reformationszeit. Die bedeutende Zürcher Kanonen- und Glockengiesserdynastie versorgte die katholische und reformierte Eidgenossenschaft mit Glocken und Kanonen. Im Roman beliefert sie die englische Flotte unter Admiral Nelson wie auch die spanische Armada mit Waffen.
Anfangs wollte Schnetzler herausfinden, wer für die Zürcher Patrizierfamilien die Töpfe angefertigt hat. «Da bin ich auf die Familie Füssli gestossen, bedeutende Stuck- und Glockengiesser in Zürich». Schnetzler legt grossen Wert darauf, dass die historischen Fakten stimmen. «Ich darf mir aber als Autor die Freiheit nehmen, die historischen Fakten auf meinen Roman auszurichten», meint er. Deshalb beginnt sein Buch mit dem Satz: «Se non è vero è ben trovato». Zu deutsch: «Wenn es nicht wahr ist, ist es doch gut erfunden». Das Zitat stammt von Giordano Bruno, der zur Zeit, in der der Roman spielt, als Ketzer in Rom verbrannt wurde. «Es hat mich beeindruckt, dass dieses Zitat von einem Mann stammt, der dieses Jahrhundert durchlebt hat», sagt Schnetzler.
Absolutes Gehör
Schnetzler erzählt in «Glocken und Kanonen» eine Geschichte mit zwingendem Verlauf und gut recherchierten historischen Fakten. So lassen sich die Spuren der Familie Füssli tatsächlich vom 15. bis zum 19. Jahrhundert verfolgen. Ihre Glockengiesserei, die damals grösste in Zürich, hatte ihren Standort beim heutigen Hotel Glockenhof. «Die Familie schloss sich in der Reformationszeit den Zwinglianern an», erzählt der Autor. «Einzig der dritte Peter Füssli blieb katholisch». Und mit diesem Mann beginnt die Geschichte. Im Jahr 1548 reitet Peter Füssli zum Kloster Einsiedeln, um vom dortigen Abt die letzte Ölung zu erhalten. Stattdessen zeugt Füssli ein Kind mit der Klosterköchin Lene, einer starken Frauenfigur im Roman. Der Knabe Konrad kommt mit dem absoluten Gehör zu Welt. Er entwickelt die Gabe, die perfekte Mischung aus Kupfer und Zinn aus dem Klang von Glocken, Töpfen und Kanonen herauszuhören. Das ist sein Genie und wird gleichzeitig sein Verhängnis.
Die Idee vom absoluten Gehör kam Kaspar Schnetzler, als er bei einem spanischen Topf, den er in einem Münchner Auktionshaus ersteigert hatte, zufällig den Deckel gegen den Topf schlug. «Da war ein ganz wunderbarer Klang, ein richtiges Läuten», sagt der Schriftsteller. «Da dachte ich mir, Konrad könnte heraushören, wie viele Teile Kupfer und Zinn in einer Idealmischung enthalten sind». Tatsächlich seien damals alle Stücke aus derselben Mischung gefertigt worden.
Tieferer Sinn
Schnetzler sieht darin einen tieferen Sinn: «Menschen machen Glocken, die sie durch das Leben begleiten. Die Glocken läuten bei der Taufe, der Hochzeit und beim Begräbnis. Mit der Kanone zerstören Menschen Leben. Und zwischen Geburt und Tod essen Menschen aus Töpfen, alles besteht aus derselben Mischung», erläutert der Autor.
Kaspar Schnetzler hat drei Jahre lang an seinem Roman gearbeitet. Es sei ein aussergewöhnlicher Arbeitsprozess gewesen. «Es ist ganz erstaunlich, wie sich Türen auftun, wenn man sich in ein Thema vertieft. Ich wollte über einen Suppentopf schreiben und landete bei der spanischen Armada.»
Kaspar Schnetzler gelingt es, die grossen Zusammenhänge in eine flüssige Sprache zu bringen. «Ich möchte die Leute unterhalten mit Romanen, die nicht banal sind». «Glocken und Kanonen» bietet historische Inhalte, feine Zwischenklänge, Emotionen und ein Ende, das in Erinnerung bleibt.
«Glocken und Kanonen». Historischer Roman von Kaspar Schnetzler. Bilgerverlag GmbH Zürich, 36 Franken
Adriana Schneider, kirchenbote-online.ch
Vom Suppentopf zur spanischen Armada