Vom Wild- zum Haustier
Aber wie genau wird ein Wolf zum Schosshund oder ein Löwe zum Stubentiger? In verschiedenen Medien war zu dieser Frage kürzlich ein aufschlussreicher Bericht zu lesen.
Die sibirischen Füchse
Seit den 50er-Jahren werden in einem Langzeitexperiment in Sibirien Silberfüchse (siehe Bild nebenan) gezüchtet. In einem kurzen Zeitrahmen konnte unter klar definierten wissenschaftlichen Rahmenbedingungen nachvollzogen werden, was sich normalerweise in jahrhundertelangen Prozessen entwickelt. Das Ziel der Züchtungen hiess nicht weniger als: «Freundlichkeit dem Menschen gegenüber.» Das Vorgehen war dabei grundsätzlich das gleiche, wie es schon immer war. Die Tiere innerhalb einer Generation, die dem gewünschten Verhalten am nächsten kamen, wurden zur weiteren Fortpflanzung ausgewählt. Der grosse Unterschied zu früher aber war dabei, dass die Entwicklung auch auf genetischer Ebene beobachtet wurde. Das ist wichtig, um die Prozesse besser verstehen und auf andere Tierarten übertragen zu können.
«Tiere sind die besten Freunde. Sie stellen keine Fragen und kritisieren nicht.»
Mark Twain
Zu Beginn kaum eine Veränderung
Nachdem anfänglich nicht viel Veränderung zu beobachten war, begann 1963 ein erstes Fuchsmännchen mit dem Schwanz zu wedeln – ein Verhalten, das nur Hunde in Beziehung zum Menschen zeigen. Nach und nach kamen weitere haushundtypische Verhaltensweisen dazu: das Abschlecken der Hände der Betreuer, Sich-den-Bauch-kraulen-Lassen, der direkte Blick in die Augen. Sogar das Aussehen der Tiere veränderte sich: die Schnauzen wurden runder und kürzer, die aufstehenden Spitzohren zu Schlappohren, die Felle gefleckt und die Schwänze ringelten sich: Erscheinungsmerkmale, die auch bei anderen domestizierten Tierarten zu beobachten sind, wie etwa bei Rindern und Schweinen.
«Destabilisierende Selektion»
Spannend ist die Erklärung der Wissenschaftler, wie diese Entwicklung möglich wurde. Es sind nämlich nicht etwa Mutationen (Veränderungen) von Genen. Lediglich die Intensität der Aktivität einzelner Gene wird eingeschränkt, was sich dann beispielsweise in einer veränderten Hormonproduktion äussert. «Destabilisierende Selektion» betitelten die Forscher diesen Prozess.
Unterdessen werden die gezähmten Füchse weltweit an Liebhaber verkauft, zum Preis von rund 5000 US-Dollar pro Tier. Eine Eigenart haben die Füchse bis heute noch nicht abgelegt: ihren intensiven, charakteristischen Duft nach Moschus. Das nimmt man bei dem Preis dann wohl in Kauf.
Text: Marcel Wildi | Fotos: pixabay – Kirchenbote SG, September 2018
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