Von der Tanse in den Darm

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22.03.2022
Für den Bauer und Wirt Christian Müller ist die ganze Verwertung eines Tiers – auch des Blutes zur Wurst – selbstverständlich. Es geht dabei auch um Respekt, den er dem Nutztier entgegenbringt.

Corona hat auch den Jahresplan im Gasthaus Frohwies in Bächli-Hemberg durcheinandergebracht. In der Regel steht die «Huus-Metzgete» im Januar auf dem Programm. Dieses Jahr kamen die begehrten Spezialitäten erst Mitte März auf den Tisch. Doch die Wirtsleute wollten ihre Stammkundschaft nicht enttäuschen und bereiteten für die vier Tage alles Nötige vor. «Insbesondere die Blutwurstproduktion ist eine Herausforderung für das gesamte Team, werden doch innert kürzester Zeit 60 kleine und 50 grosse Blutwürste in Handarbeit hergestellt», so Gastgeber Christian Müller.

Alle Teile des Tiers verwerten

Gearbeitet wird in der «Frohwies» nach altem Hausrezept. Bereits die Eltern von Christian Müller stellten für eine Metzgete» alles im eigenen Betrieb her. «Die Schweine werden von uns gemästet, dann geht’s zum regionalen Metzger. Das Fleisch kommt zur Verarbeitung in den Betrieb zurück, das Blut in einer Tanse ebenso», so Christian Müller. Für ihn sei es wichtig, dass alle Stücke eines Nutztieres verwertet werden. «Das erachten wir als selbstverständlich und geben diese Einstellung an unsere Kinder weiter. Auch die Blutwürste gehören dazu, denn der Lebenssaft, der ein Tier begleitet, ist ein kostbares Gut und soll nicht verschwendet werden.»

Traditionelles Hausrezept

Die Blutwürste werden ganz traditionell mit Blut, der Gewürzmischung, wie sie im Fleischverarbeitungsbüchlein der landwirtschaftlichen Schule Custerhof in Rheineck aus dem Jahr 1961 festgehalten ist, Milch, Rahm und den fein gehackten und in Nierenfett angebratenen Zwiebeln hergestellt. Die Masse, welche immer warm gehalten und gerührt werden muss, wird in gereinigte Naturdärme gefüllt, verschnürt, und die Würste werden dann anschliessend gekocht.

 

«Innert kürzester Zeit werden 60 kleine und 50 grosse Blutwürste in Handarbeit hergestellt.»

 

Damit die Produktion reibungslos läuft, ist ein Team von drei Personen im Einsatz. «Jede einzelne Blutwurst wird von uns mehrfach in die Hände genommen – vom Spülen und Schneiden der Därme über das Abbinden des ersten Teils, dem Befüllen und Verknoten und nach dem Kochen noch das saubere Schneiden von Schnüren und Darm», erläutert der Wirt die aufwendige Handarbeit.

Artgerechte Haltung wichtig

Auf die Frage, ob im Betrieb spürbar ist, dass vermehrt Menschen auf vegetarische oder vegane Ernährung setzen, ist zu hören: «Vereinzelt gibt es Gäste, die kein Fleisch essen. Was wir aber viel öfter hören, ist die Aussage, dass sie in der Regel wenig oder gar kein Fleisch essen, bei uns aber eine Ausnahme machen, weil das Fleisch von Tieren unseres eigenen Hofes stammt.» 

Regionalität und das Wissen, dass die Tiere artgerecht gehalten und respektvoll behandelt werden, sei vielen Konsumentinnen und Konsumenten zunehmend wichtig, weiss der engagierte Bauer und Wirt. Dies sei mit ein Grund, dass er in der ersten Märzhälfte erstmals zwei Aubrac-Rinder auf dem Hof schlachten liess. «Einerseits ist es eine Erfahrung, die ganz schön nahe geht – haben wir doch die Tiere während längerer Zeit betreut.Andererseits war es ein positives Erlebnis, denn die Mutterkuhherde blieb ruhig, und auch die geschlachteten Tiere hatten keinen Stress.»

Text | Foto: Adi Lippuner, Journalistin BR, Wildhaus – Kirchenbote SG, April 2022

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