«Wann ist der Mann ein Mann?»

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20.05.2019
Herbert Grönemeyers Lied gibt den Steilpass, eine «Reformanze» nimmt den Ball auf und sucht nach Antworten.

Mannomann – und was soll ich als weitgehend unbemannte, im Wesentlichen weder disziplinier- noch domestizierbare Frau, als Ex-Reformanze dazu sagen? Was ich an Männern schätze und was weniger; wie ich mir die Männerpräsenz in Kirchen vorstelle, ja wünsche? Ist das nicht auch ein bisschen sexistisch, sich so zu äussern über «Männer», genauso wie über «Frauen»?  

«‹Frauenversteher› ist ja bis heute ein Schimpfwort.»

Ja, ich mag Männer! Bin sehr empfänglich für heiteren Herrenhumor. Weniger freilich für die ungekrönten Möchtegernkönige und -bischöfe, die Gockel und Pfauen, die sich selbst für so wahnsinnig unersetzlich und unentbehrlich halten. Aber ich denke, das hat nicht oder nur bedingt mit dem Mann-Sein zu tun. – Also: Ich mag Männer (und Frauen!), die zupacken, kreativ denken, humorvoll und witzig argumentieren, gemeinschafts- und teamorientiert agieren können, ohne dabei ihr eigenes Wohlbefinden auf der Strecke zu lassen; die zuhören,
kochen, trösten, Anteil nehmen, zu ihren eigenen Gefühlen stehen und jene anderer wenn nicht verstehen, so doch wahr- und ernst nehmen können. Die auch über sich selbst lachen können. Die sich selbst zwar ernst, aber nicht so tierisch wichtig nehmen. Die auch eigene Fehler und Unzulänglichkeiten zugeben können. Und über dieselben selbstironisch schmunzeln können. Die die feinen Nuancen «zwischen den Zeilen» wahrnehmen und einordnen können – und wollen. 

Teilen, aufteilen – voller Hoffnung
Man muss die Männer nehmen, wie sie sind. Es gibt keine andern. Oder doch? «Frauenversteher» ist ja bis heute eine abwertende Bezeichung, ein Schimpfwort gar. Aber: Ist es tatsächlich immer noch ein antiquiertes Klischee, dass (Teilzeit)Hausmänner über wenig Sex-Appeal verfügen? Oder Männer, die sich in der Kirche (als Ehrenamtliche) engagieren? Mitnichten! Es erfüllt mich mit Hoffnung, wie zunehmend Männer und Frauen ganz selbstverständlich sich Erwerbs- und Haus-/Familienarbeit aufteilen, beide gut ausgebildet und beruflich engagiert. Oder ist das nun von mir als Frau wenig gendersensibel, wenn ich das mit Wohlwollen registriere, wo das doch ganz selbstverständlich sein müsste? Ich freue mich über Männer, die (un-verblümt) Komplimente machen, die einen etwa mit selbst gepflückten Blumen, selbst gemachten Konfitüren und wunderbarem Essen verwöhnen. Die staunen, danken, delegieren, wertschätzen, Macht abgeben können. Und so fort.

«Wenn Männer präsent sind, sind sie ein Präsent.»

Aber konkret: Wann ist ein Mann ein Mann – in der Kirche? Einer meiner männlichen Kollegen hat mich tatsächlich noch vor wenigen Jahren wissen lassen, dass er selbst sich grundsätzlich nie und nimmer auf eine Stelle mit weniger als 100% bewerben würde! Und zwar mitnichten einer, der als klassischer Ernährer einer Familie mit minderjährigen Kindern vorstand. Mit Freude nehme ich zur Kenntnis, dass auch in der Kirche es sich immer mehr Männer nicht nehmen lassen, ihre Berufstätigkeit/Erwerbsarbeit zugunsten von Familien-, Care-, gemeinschaftlicher Arbeit zu reduzieren. Mit-zudenken, mit-anzupacken und mit-zuschaffen an innerhäuslicher, inner- und ausserfamiliärer Care- und Rekreationsarbeit, an sozialer, ehrenamtlicher unverzichtbarer Arbeit zugunsten des Gemeinwohls, auch der Kirche. Auch jüngere Familienväter, die erkennen und wertschätzen wie kost-bar, sinn-voll und monetär unbezahlbar solche Arbeit ist. Wie sehr es dabei auf ihre beruflichen, sozialen, ja zutiefst menschlichen Kompetenzen ankommt. 

Neue Männer braucht die Kirche!
Solche, die sich mit Herz und Hirn, Leib und Seele einlassen auf die konkreten Fragen, Nöte, Bedürfnisse und Diskussionen realexistierender Menschen. Ich denke an wunderbar berührende Momente mit zugewandten Männern, die Zuhören, Wahrnehmen, Sich-Einfühlen als Qualität achten, die nicht immer sowohl das erste wie auch das letzte Wort haben müssen. Die sich freuen über die Gedanken, Ideen und Erfolge von anderen, auch von Frauen! Die sich nicht bedroht fühlen von jüngeren Kolleginnen. Ich erinnere mich an die Lektüre von Susanna Schwagers «Das volle bzw. das halbe Leben», in denen Männer über 80 bzw. um die 40 von sich erzählen. Ungeschützt, verletzlich, einfühlsam, visionär, voller Hoffnung – berührend! Männer nach dem Motto: Wenn sie präsent sind, sind sie ein Präsent. 

Wie die Frauen ĂĽbrigens auch.

 

Text: Marilene Hess, Pfarrerin, St. Gallen-Tablat | Foto: Pixabay  – Kirchenbote SG, Juni-Juli 2019

 

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