Lukas 16

Wenn aus Unrecht Gutes entsteht

von Lars Syring
min
01.02.2025
«Niemand kann zwei Herren dienen. Du kannst nicht Gott dienen und dem Mammon.» Klare Worte. So kennen wir das von Jesus. Diese Sätze fallen, nachdem er eine Geschichte erzählt hat. Und die Geschichte ist nicht ganz so klar.

Und sie geht so (Lukas 16): Ein reicher Mann hatte einen Verwalter. Über den wurde ihm berichtet, er veruntreue ihm sein Vermögen. Da ließ er ihn kommen und sagte zu ihm: «Ich höre böse Dinge über dich! Lege deine Kasse und deine Bücher zur Prüfung vor, denn du kannst deinen Posten nicht behalten.» Da überlegte der Verwalter hin und her: Was soll ich tun? Meine Stellung habe ich offenbar schon verloren. Hart arbeiten kann ich nicht. Und Betteln will ich nicht. Ich weiss es! Ich habe noch eine Möglichkeit: Ich muss erreichen, dass ich, wenn ich entlassen bin, Freunde habe, die für mich sorgen! Da rief er alle Pächter einzeln zu sich. Als der erste kam, fragte er ihn: «Wie hoch ist die Pacht, die du bezahlen musst?». Der sagte: «Hundert Fass Öl.» Da antwortete der Verwalter: «Hier! Nimm deinen Pachtvertrag! Wir schließen einen neuen. Schreib: fünfzig Fass!» Danach kam der zweite. «Wie hoch ist deine Pacht?», fragte er ihn. «Hundert Sack Weizen», war die Antwort. «Gut», fuhr er fort, «nimm deinen Vertrag! Wir schließen einen neuen ab. Schreib: achtzig.»

Und der Herr lobte den Verwalter der Ungerechtigkeit, weil er klug gehandelt hatte: «Die Söhne dieser Welt», sagte er, «sind klüger als die Söhne des Lichts denen gegenüber, zu denen sie gehören. Und ich rate euch: Wenn euch schon Geld anvertraut ist, an dem das Unrecht klebt, dann macht euch wenigstens Freunde damit! Es wird eines Tages wertlos sein. Sorgt dafür, dass sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten!» … «Denn niemand kann zwei Herren dienen. Er wird den einen vernachlässigen und sich dem anderen zuwenden, oder wird den einen vorziehen und den anderen missachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.»

 

Soweit die Geschichte. Damit wir sie besser verstehen können, zunächst ein Paar Anmerkungen: Die Geschichte spielt in der Welt des Grosskapitals. Die geforderten Summen sind irrsinnig hoch. Der Wert des Weizens war zur damaligen Zeit 50.000 Denare. Der des Öls etwa 73.000 Denare. Wenn Du Dir vorstellst, dass die meisten Bewohner Israels damals Tagelöhner waren, die – wenn es gut ging – einen Denar pro Tag zur Verfügung hatten, dann werden die Dimensionen klar. Da geht es um die Pacht von ganzen Dörfern. Ein Einzelner konnte das unmöglich aufbringen.

 

Enterich mit Spardino. | Foto: sy

Enterich mit Spardino | Foto: sy

Das Grundproblem – damals wie heute

Und damit sind wir beim Grundproblem damals. Das war der soziale Abstieg, der durch den Landverlust entsteht. Der normale Arbeiter war geplagt von hoher Steuerlast. Nach einer schlechten Ernte führte ihn das in die Schulden. Und so wurde früher oder später aus dem Boden, der dem Bauern einmal gehörte, Pachtland. Schliesslich konnte er die Pacht auch nicht mehr zahlen. Dann wurde er Tagelöhner. Und wenn er so den Lebensunterhalt für seine Familie nicht mehr aufbringen konnte, musste er betteln.

Immer wieder ist das geschehen. Immer wieder geschieht das. Damals wie heute.

Dieser Weg vom Besitzer zum Pächter zum Tagelöhner zum Bettler steht auch dem Verwalter vor Augen. «Was soll ich nur tun, wenn ich den Job verliere?», denkt er. Im Theater stünde er nun vorne am Bühnenrand und denkt laut nach. «Hart arbeiten kann ich nicht. Betteln will ich nicht.»

 

 

Was bleibt für ihn dann noch?

So kommt er auf die Idee, sich bei den Schuldnern einzuschmeicheln. Seine Idee: Wenn er ihnen entgegenkommt, kommen sie ihm auch entgegen, wenn er seinen Job verliert. Gastfreundschaft war ein hohes Gut. Dass die Schuldner auch zur Oberschicht gehörten, erkennen wir schon daran, dass sie selbst schreiben können. Das war ein Luxusgut. Und die Schuldner nehmen das Angebot gerne an. Klar.

Und dann steht da dieser Satz: «Und der Herr lobte den Verwalter der Ungerechtigkeit, weil er klug gehandelt hatte.» Entscheidend ist nun die Frage, wer ist dieser Herr? Wer lobt den Verwalter der Ungerechtigkeit? Ist das der reiche Mann? Oder ist das Jesus?

Ist es der reiche Mann? Denkt er: Wow, der Typ ist clever. Den schmeiss ich lieber nicht raus. Der kann mir noch nutzen. Klar. Schade um das viele Geld. Aber auf der anderen Seite: Die Leute, die bei mir Schulden hatten, werden mich doch mögen, wenn ich ihnen Nachlass gewähre und ihre Schuldenlast verringere. Mir tut es nicht weh. Und sie freuen sich.» Plausibel?

Für mich spricht vieles dafür, dass der «Herr», der den Verwalter der Ungerechtigkeit lobt, Jesus ist. Und wenn der Lobende Jesus ist, wird auch verständlich, wie die Geschichte weiter geht. Es geht um die Kinder der Welt und die Kinder des Lichts. Und die Kinder des Lichts sollen von den Kindern der Welt lernen, wie sie geschickt mit Geld umgehen können.

Auch wenn Geld vielleicht nicht stinkt, Blut klebt allemal daran.

Wer sind diese Kinder des Lichts?

Damals gab es eine jüdische Sekte, die Essener, die sich selbst als Kinder des Lichts bezeichnet haben. Meint Jesus die? Macht er mit dieser übertriebenen Geschichte einen Witz über die Essener, die es abgelehnt haben, Geld anzufassen? Sie hatten Angst, dass sie dadurch unrein würden. Und rein sein, das wollten sie unbedingt. Besonders rein sogar. Die Essener waren im Klinsch mit Jesus, weil er so frei lebte und den Menschen wichtiger fand als das Gesetz.

Gesetz. Das ist das nächste Stichwort. Die Thora, das jüdische Gesetz, hatte der Abwärtsspirale «Besitzer, Pächter, Tagelöhner, Bettler» klare Grenzen gesetzt. Es war klar: Der Boden gehört Gott. Und wer Schulden hatte, dem wurden sie alle sieben Jahre beim Sabbatjahr erlassen. Und alle 49 Jahre gab es das Jobeljahr und den Totalerlass. Dann wurde auch der Boden zurückgegeben.

Das Ziel ist nicht asketische Armut, sondern ökonomische Solidarität, im Kleinen wie im Grossen.

Die Römer hatten in ihrem Reich die Thora ausser Kraft gesetzt. Rom bestimmte die Gesetze. Und so öffneten sie Tür und Tor für Grossgrundbesitz und Ausbeutung. So wird die Aussage von Jesus klarer. Der Verwalter der Ungerechtigkeit nimmt das ungerecht erwirtschaftete Geld und tut damit etwas Gutes. Er tut – unwissend – letztlich das, was die Tora, das jüdische Gesetz, verlangt. Er sorgt für Schuldenerlass. Er kümmert sich – wenn auch aus Eigennutz um seine Mitmenschen.

Das dürften die Kinder des Lichts noch lernen. Mit Geld kann man auch Gutes tun. Da ist nicht mal die Motivation entscheidend. Und für die, die Gott nachfolgen, sollte das noch einmal klarer sein: Wer Gott dienen möchte, kann nicht das Geld, den Profit, die Gewinnmaximierung, die Dividende an oberster Stelle setzen. Auch wenn Geld vielleicht nicht stinkt. Blut klebt allemal daran.

Wer Gott dienen will, kann aber das Geld nutzen. Kann Gutes tun. Kann die Not anderer lindern. Kann solidarisch sein. Geld oder Gott. Entscheidend ist die Frage, woran du dein Herz hängst.

Wir sind ja selbst Kinder des Lichts. Wir sind als Kirche eine Auferstehungsgemeinschaft. Eine ziemlich reiche. Wir können einander finanziell aushelfen, ohne eine Rückzahlung zu erwarten. Wir gewähren Gastfreundschaft. Das war damals entscheidend wichtig für die arme, junge Kirche, die immer wieder finanziell klamm war. Und das Ziel beim Umgang mit Geld ist, wenn ich Jesus gut verstehe, nicht asketische Armut, sondern ökonomische Solidarität, im Kleinen wie im Grossen. Denn die Probleme, vor denen wir stehen, können wir nur gemeinsam packen! Manche Herausforderung ist zu gross für einen allein.

Es ist paradox. Die Christenmenschen lernen von einem Betrüger. Es gilt, so wie er, das Geld zu nutzen, um eine Solidargemeinschaft aufzubauen. Freundschaften in dieser Welt. Und mit Gott.

Wie mag Jesus diese Geschichte erzählt haben? Ich sehe ihn vor mir. Mit einem Grinsen auf dem Gesicht.

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