Schöpfungszeit

Wir alle sind Geschöpfe

von Tilmann Zuber
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02.10.2023
Sie heissen Billy, Bello oder Kitty, liegen auf dem Sofa und besuchen den Hundesalon: unsere Haustiere. Zum Welttierschutztag am 4. Oktober erzählt Christoph Ammann, Präsident des Arbeitskreises Kirche und Tiere, warum wir keine Hunde essen und Tiere uns guttun.

Christoph Ammann, besitzen Sie ein Haustier?

Im Moment nicht, wir haben uns erfolgreich gegen unsere drei Kinder durchgesetzt, die gerne einen Hund hätten. Zweimal hatten wir Mäuse, einmal aus dem Tierheim, das andere Mal waren es medizinische Versuchstiere.

Was bringen Haustiere?

Tiere sind gute Begleiter. Wenn man nach Hause kommt, begrüsst einen der Hund freudig. Er gibt einem emotional sehr viel. Zudem strukturiert er den Alltag und hält aktiv und ermöglicht auch viele Beziehungen zu den Menschen. Ich erlebe in den Gemeinden häufig, wie wichtig es sein kann, dass man mit Tieren etwas hat, worum man sich kümmern kann. Zudem kann man sie streicheln und kuscheln. Und in der Beziehung zu Tieren gibt es kaum Konflikte.

Psychologische Studien zeigen, dass Tiere Stabilität ins Leben bringen. Sie stärken das Ich.

Mit Menschen ist das anders?

Natürlich gibt es zwischen Menschen Reibung, Auseinandersetzungen und Konflikte. Menschliche Beziehungen sind häufig intensiv und sehr komplex. Ein Unterschied ist auch, dass eine Freundin widerspricht, mich kritisiert und auch korrigiert.

Sind Tiere die besseren Partner?

Beziehungen zu Tieren sind etwas Eigenes. Man kann sie nicht mit menschlichen Beziehungen vergleichen. Natürlich können Tiere den Partner oder die Partnerin ein Stück weit ersetzen, wenn diese fehlen. Gerade wenn jemand alleine lebt, kaum das Haus verlässt und keine Kontakte pflegt, können Tiere enorm wichtig werden. Psychologische Studien zeigen, dass Tiere Stabilität ins Leben bringen. Sie stärken das Selbst.

Denn Hunde freuen sich, wenn man nach Hause kommt.

Ja, vor allem Hunde werden als treuer erlebt als Menschen: Sie sind immer da und enttäuschen einen nie. Sie sind voll auf ihre Herrchen und Frauchen bezogen.

Sie sind Vorsitzender des Vereins Arbeitskreis Kirche und Tier, AKUT. Warum braucht es diesen Verein?

Der Grund ist, dass Kirchen und die Theologie dazu tendieren, zwischen Mensch und Tier strikt zu unterscheiden und einen tiefen Graben zwischen ihnen zu ziehen. Die Menschen haben einen unvergleichlich hohen Stellenwert, während die Tiere kaum eine Rolle spielen. AKUT will diese Kluft überbrücken. Wir betrachten Tiere als Mitgeschöpfe. Sie sind wie wir bedürftige, abhängige und endliche Wesen. In der Beziehung zwischen Tieren und Menschen liegt vieles im Argen. Die Aufgabe von AKUT ist es, die Kirchen an unsere Verantwortung für die Tiere und uns so auch an die eigene Geschöpflichkeit zu errinnern.

Die Sonderstellung des Menschen ist weniger ein Privileg als eine Aufgabe.

Ist der Mensch nicht die Krone der Schöpfung, wie es in der Bibel heisst? Oder ist er viel mehr ein Tier unter Tieren?

Er ist Geschöpf unter Geschöpfen. Aber der Mensch hat eine Sonderstellung, er hat eine besondere Verantwortung gegenüber den anderen Lebewesen. Die Sonderstellung ist also weniger ein Privileg als eine Aufgabe.

Was ist der Unterschied zwischen einem Hund, der gehätschelt wird, und einem Schwein, das beim Metzger landet?

Biologisch und psychologisch gesehen sind sich Hunde und Schweine sehr ähnlich. Schweine sind wahrscheinlich sogar intelligenter als Hunde. Trotzdem landen sie auf dem Grill. Wir Menschen teilen Tiere in Kategorien wie Nutz- und Haustiere ein, je nach unseren Nutzungsinteressen. Ethisch ist das ein Spannungsfeld voller Widersprüche, denn die Kategorien Nutz- und Haustiere sind ethisch gesehen fragwürdig.

Ist dies Ausdruck des biblischen Gebotes «Macht euch die Erde untertan!»?

Historisch gesehen kann man die Ausbeutung der Tiere sicher nicht auf dieses Gebot zurückführen. Aber zweifellos wurde dieser Bibelvers als Ermächtigung des Menschen verstanden, die Schöpfung rücksichtslos auszubeuten, nicht nur die Tiere, sondern auch die Bodenschätze. Die rücksichtslose Ausbeutung der Erde und die Massentierhaltung sind aber relativ neue Phänomene, die erst durch die Aufklärung und die Industrialisierung möglich wurden. Neu ist auch, dass Haustiere heute einen so hohen Stellenwert haben. Heute gehen Hunde zum Hundesalon. Mit Haustieren verdient man generell viel Geld, Tierarztpraxen werden zuhauf von Investoren übernommen.

Auch die Kirche macht da mit: Es gibt Tiergottesdienste, Abschiedsfeiern für Tiere und in Zürich kann man sich mit seinem Haustier bestatten lassen. Werden Tiere dadurch nicht vermenschlicht?

Menschen und Tiere sind heute sicher näher zusammengerückt. Wir wissen auch viel mehr über Tiere, über ihre Fähigkeiten und ihr Innenleben. Gerade Haustieren wird ein sehr hoher Stellenwert eingeräumt. Ich finde vieles daran positiv, etwa dass Menschen ihre Trauer über den Tod ihres Tieres ausdrücken können, und zwar in einem würdigen Rahmen einer Abschiedsfeier. Mit Seelsorge und solchen Feiern zeigt die Kirche: Wir sind für Menschen da, die um ein Tier trauern.

Eine Frage an Pfarrer: Haben Tiere eine Seele?

Mit Seele verbinde ich Lebendigkeit, Persönlichkeit und Individualität. Seele bedeutet für mich: Da wohnt jemand, da ist jemand zu Hause. In diesem Sinne haben zweifellos auch Tiere eine Seele.

Aus christlicher Sicht gehören alle Geschöpfe zusammen, und das Schicksal leidender Tiere sollte uns nicht gleichgültig sein.

Sind Tierfreunde bessere Menschen?

Nein, manche sind sehr sensibel, wenn es um das Leiden von Tieren geht, aber in anderen Dingen überhaupt nicht. Man darf die Sorge um Tiere und Menschen nicht gegeneinander ausspielen. Aus christlicher Sicht gehören alle Geschöpfe zusammen, und das Schicksal leidender Tiere sollte uns nicht gleichgültig sein. Auch in der Kirche gab es prominente Kämpfer für diese Sache, wie zum Beispiel den Arzt und Theologen Albert Schweitzer.

Albert Schweitzer wurde gegen Ende seines Lebens Vegetarier. Leben Sie vegan?

Nicht ganz. Ich esse kein Fleisch und kaufe keine Lederprodukte. Ab und zu konsumiere ich Milchprodukte. Die Thematik ist aber nicht nur eine der persönlichen Moral. Es wäre politisch gefordert, gezielt die pflanzliche Ernährung und eine Landwirtschaft jenseits der Tiernutzung zu fördern.

Könnte die Kirche mehr für die Tiere tun?

Ja, sicher, gerade was weniger Fleisch bei kirchlichen Anlässen angeht. Die Kirche sollte viel mutiger werden und für weniger Gewalt gegen Tiere einstehen. Auch mit Trauerfeiern für Tiere mache ich spannende Erfahrungen. Zu diesen Feiern in den Kirchen kommen Menschen, die sonst kaum den Weg in einen Gottesdienst finden.

Zum Schluss: Was ist Ihr Lieblingstier?

Als Kind war es das Zebra. Heute faszinieren mich Falken, grade weil sie so anders sind als wir.

 

Christoph Ammann

Der Zürcher Pfarrer und Ethiker Christoph Ammann ist Präsident des Arbeitskreises Kirche und Tiere. AKUT ist ein gemeinnütziger Verein für Menschen aus den Kirchen, die sich für die Interessen der Tiere als unsere Mitgeschöpfe einsetzen. Der Verein ist parteipolitisch neutral und konfessionsübergreifend.

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