«Wir sehen den Änderungen entspannt entgegen»
Fortan ist die Hilfestellung für Pfarrpersonen – die sogenannte «Handreichung» –, um Gottesdienste mit Personen in besonderen Lebenssituationen zu feiern, in Kraft. Wer keine Schwulen oder Lesben segnen will, hat laut St. Galler Kirchenordnung und in Rücksprache mit dem Dekan aber das Recht, diese Amtshandlung aus Gewissensgründen zu verweigern. Einen Eintrag der Segnung ins Eheregister gibt es für das homosexuelle Paar bisher nicht.
Subsidiaritätsprinzip
Sagt am 26. September das Schweizer Stimmvolk Ja zur «Ehe für alle», sehen der Kirchenratsschreiber sowie Kirchenratspräsident Martin Schmidt den rechtlichen Änderungen, die auf die reformierte St. Galler Kirche zukommen könnten, entspannt entgegen. «Es entspricht unserem Staats- und Rechtsverständnis, dass, wenn neues Bundesrecht eingeführt wird, wir diesem Folge leisten. Da keine Gesetze für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare auf nationaler Ebene bestanden, konnten wir vor über 20 Jahren eine eigene Regelung einführen. Bei einem Ja folgen wir jedoch dem Subsidiaritätsprinzip», so Schmidt. Dies werde nicht anders sein wie damals, als der Staat die Zivilstandsämter gründete und das Führen der Kirchenbücher von den Katholiken und Reformierten übernahm. «Wir werden also den rechtlichen Teil wieder ‹delegieren›. Wer als gleichgeschlechtliches Paar kirchlich heiraten will, hat dann, wie jedes heterosexuelle Paar schon heute, zuerst die zivile Trauung zu vollziehen. Mit dieser Bescheinigung dürfen wir dann auch Trauung sagen, wobei es im theologischen Sinne eine Segnung bleibt», so der Präsident des St. Galler Kirchenrats. Denn die Reformierten hätten schon früher die Trauung als «weltlich Ding» betrachtet. «Und selbstverständlich wird die kirchliche Trauung dann auch bei uns im Eheregister eingetragen», ergänzt Bernet, ebenso die Taufe eines Kindes, sofern ein Elternteil der Kirche angehört.
Kaum mehr Einzelpfarrämter
Ob sich ein Pfarrer weigern kann, Homosexuelle zu trauen, darüber zerbrechen sich derzeit die Juristen die Köpfe. Gemäss neuer Rassismusstrafnorm macht sich strafbar, wer jemandem eine Leistung, die für die Allgemeinheit bestimmt ist, einzig aufgrund der sexuellen Orientierung verweigert. Die Rechtsgelehrten sehen in der kirchlichen Trauung eine solche Leistung. Im Wissen um die Problematik, bleibt Schmidt aber gelassen und pragmatisch: «Wir haben kaum mehr Einzelpfarrämter. Ein Teamkollege oder eine Pfarrerin aus der Nachbargemeinde könnte die Trauung vollziehen.» Und Bernet meint grundsätzlich: «Theologische Aspekte an die heutige Zeit anzupassen ist und bleibt eine Kunst.»
Text: Katharina Meier | Foto: Screenshot UZH – Kirchenbote SG, September 2021
«Wir sehen den Änderungen entspannt entgegen»