«Wir wissen, aber handeln nicht»
Daniel Schmid Holz ist Vorstandsmitglied im ökumenischen Verein «oeku, Kirche und Umwelt» und Beauftragter für Erwachsenenbildung der Evang.-reformierten Kirche des Kantons St. Gallen. «Wenn der Urwald verschwindet, ist das für die Erde kein Problem, nur für uns», sagt er. «Wir sind abhängig von der Natur und wir stressen sie so sehr, dass sie sich nicht mehr erholen kann.» Wörter wie Ökologie und Umweltschutz tauchen erst auf, wenn die Auswirkungen unseres Fehlverhaltens sichtbar werden. «Zuerst müssen wir die Krise erkennen», erklärt Schmid Holz. «Die Sensibilisierung beginnt mit einer Bedrohungslage.»
Auftragsstudie «Global 2000»
Weltweit wird die Bewahrung der Natur in den 70er-Jahren zum Thema. Vorher war man nur lokal aktiv. So zum Beispiel im Siegerland (D), wo im 19. Jahrhundert ein Gesetz erlassen wurde, das vorschrieb, nur so viel Holz zu schlagen, wie nachwachsen kann. 1980 erscheint die von US-Präsident Jimmy Carter in Auftrag gegebene Studie «Global 2000». Sie ist so etwas wie eine Bibel der Öko-Bewegung und sollte grundlegende Entwicklungen der Umweltbedingungen und ihre künftigen Auswirkungen bis zum Jahr 2000 bestimmen.
«Das Erleben macht etwas besser begreifbar.»
«Damals waren die Auswirkungen der Krise noch nicht spürbar wie im letzten Sommer. Immerhin kam die Botschaft in den darauffolgenden Jahren auch in der Kirche an. Sie bot vereinzelt eine Plattform für eine Auseinandersetzung.»
Spannungsfeld
«Wir sind seit der Reformation in einem ethischen Begründungsnotstand», sagt Schmid Holz. «Wir können nicht mehr mit der Hölle drohen, um etwas zu bewirken. Statt zu drohen, arbeiten wir an Bewusstwerdung und Motivation. Bibelstellen zum Thema gibt es nur wenige. Wir müssen ethische Argumente indirekt aus der Bibel ableiten. Daraus ergibt sich ein Spannungsfeld.»
Eine indirekte Begründung heisst zum Beispiel, dass mit der «Bewahrung der Schöpfung» argumentiert wird, ein Motto, das seit den 80er-Jahren von christlichen Umweltinitiativen immer wieder genutzt wird. Dahinter steht die Annahme, dass unsere Welt und das Leben auf ihr «heilig» seien und einen Eigenwert haben, weil sie von Gott erschaffen und getragen sind. Eine andere Betrachtungsweise geht von der Gerechtigkeit aus, denn ökologische Probleme werden zu sozialen Problemen und führen so zu Gerechtigkeitsfragen. «Wir werden zum Beispiel Menschen, die vor Dürren und Überschwemmungen fliehen, Schutz bieten müssen», erklärt Schmid Holz.
Öko-Spiritualität
Das Projekt Schöpfungszeit, welches von der oeku alljährlich initiiert wird, fördert die Sensibilisierung für das Thema, in dem es Erlebnisse in die Liturgie einbettet. «Das Erleben macht etwas besser begreifbar», betont Schmid Holz. Dasselbe gilt auch für ökologische Projekte in den Kirchgemeinden. Ergibt sich aus diesem Erleben automatisch auch ein Gottesbezug? «Nein, dieser ergibt sich nur aus der Offenbarung der Bibel. Ein Gemeinplatz wie ‹Gott im Wald erleben› kann auch zur Öko-Spiritualität werden. Man ist dann Naturliebhaber, kennt aber den differenzierten Gottesbezug nicht, wie er in den Gemeinden gepflegt wird.»
Mitverantwortung
«Wir haben Mitverantwortung für die ganze Wirklichkeit», sagt Daniel Schmid Holz. «Die Kirche hat ein Reputationsproblem, wenn sie ihre Gebäude energetisch nicht unterhält. Es ist ein schlechtes Argument, zu sagen, der Gottesdienst habe Priorität. Wir wissen, aber handeln nicht immer. Als öffentlich-rechtliche Organisation ist die Kirche mitverantwortlich für das Wohl der Menschen. Das überzeugendste Argument ist immer, etwas selbst vorzuleben. Bereits eine Magerwiese vor der Kirche kann das Engagement sichtbar und spürbar machen.»
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«Wir wissen, aber handeln nicht»