Daueraufgabe: Kirchliche Erneuerung

Wird schon schiefgehen...

von Heinz Mauch-Züger
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11.04.2023
1517 Martin Luther, Wittenberg, 1523 Huldrich Zwingli, Zürich, 1536 Johannes Calvin, Genf. Diese 3 Namen sind die Aushängeschilder für das, was als Reformation bekannt ist und einen Zeitraum von mehr als 100 Jahren abdeckt.

Neben den drei Aushängeschildern gab es jedoch noch über hundert kirchliche Persönlichkeiten, unter ihnen auch Frauen, die sich für eine Veränderung einsetzten. DIE Reformation lässt am ehesten durch die Distanzierung der damaligen Praxis der Kirche im alltäglichen Leben zusammenfassen. Ablasshandel als Mittelbeschaffungsmodell, Bevormundung jeglicher Art in der Ausgestaltung des Lebensalltags, Verquickung mit den jeweiligen Machthabern und Anhäufung von eigenem Reichtum.

Eigentlich waren es eine Vielzahl von Reformationen, die in den jeweiligen Regionen eigene Ausprägungen erhielten und sich mit ganz verschiedenen Gegebenheiten auseinandersetzen mussten. Der Abendmahlsstreit zwischen Luther und Zwingli ist ein gutes Beispiel, dass trotz des Willens zur Veränderung, die Ansichten nicht übereinstimmen mussten und zu harten Auseinandersetzungen führten.

Verschiedene Ansichten der Erneuerung

Re-formieren auf der Basis von «sola fide, sola scriptura, solus Christus, sola gratia» (allein durch den Glauben, allein durch die Schrift, allein Christus, allein durch Gnade) traf zwar die theologisch zentralen Themen, war jedoch in der Praxis eine komplizierte Grundlage. In jedem Bereich trafen verschiedenartige Ansichten oft unversöhnlich aufeinander. Die Erneuerung führte dann auch recht schnell in eine Zersplitterung, die kaum mehr zu kontrollieren war. Hinzu kam der Umgang mit Ansichten, die der eigenen Intention zuwiderliefen, wie beispielsweise der Umgang mit den Bauern oder der jüdischen Bevölkerung bei Luther oder derjenige mit den Täufern bei Zwingli.

Einfluss der Mächtigen

Auch die neue reformierte, protestantische Kirche war immer ein Teil der weltlichen Gegebenheiten und ihren Machtverhältnissen. Fürsten und Räte, Bischöfe und Äbte achteten genau auf eine möglichst vorteilhafte Entwicklung und entschieden dann, ob der «neue Glaube» erstrebenswert war oder nicht. Die hoffnungsvollen Anfänge aus der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts endeten 1648 mit dem Westfälischen Frieden, nach dreissig verheerenden Kriegsjahren. Sie brachten den Reformierten die Anerkennung neben der katholischen Kirche.

Reformierte zersplittern sich weiter

Innerhalb dieser anerkannten reformierten Kirche setzte sich die Zersplitterung jedoch weiter fort. Immer wieder gab es Strömungen mit eigenen Schwerpunkten, wie beispielsweise die Waldenser im nördlichen Italien und die Hugenotten in Frankreich. In Deutschland pflegten die Pietisten eine persönlichere Frömmigkeit in ihren Gemeinschaften. Aus den Vereinigten Staaten kamen ab dem 18. Jahrhundert immer wieder sogenannte Erweckungsbewegungen nach Europa und neue Gemeinschaftsformen entstanden.

Neben diesen Strömungen sorgten die Aufklärung und damit die Entwicklung der Wissenschaften mit ihren technologischen Fortschritten und neue politischen Strömungen für eine Veränderung der Weltanschauung, welche die offiziellen Kirchen mehr und mehr an den Rand drängten. Für viele Menschen relativierte sich der Einfluss der klassischen reformierten Staats- oder Landeskirchen zunehmend.

Reformieren - trotzdem

Die Vorstellungen einer veränderten, umfassenden Kirche auf den reformatorischen Grundlagen der Rückbesinnung auf die Frohe Botschaft und dem damit verbundenen Einbezug aller Gläubigen erwies sich in ihrer Umsetzung als unrealistisch. Zu viele inner- wie ausserkirchliche Interessen ver- oder behinderten den Neubeginn. Trotzdem brachte der reformatorische Ansatz Entwicklungen in Gang, beispielsweise im Bildungs- und Sozialwesen, auf denen viele Staaten heute beruhen. Die reformatorischen Grundsätze haben nichts von ihrer Gültigkeit verloren. Kirchliche Erneuerung als Entwicklung der Glaubensvorstellungen und deren Umsetzung in der jeweiligen Gesellschaft bleibt eine Daueraufgabe. Dabei wird immer etwas schiefgehen, das war von Anfang an so.

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