Nahrung für Herz und Hirn

Wunderkiste, Leseecke und Meditationsort

von Isabelle Kürsteiner
min
26.12.2023
Schon als kleines Kind hat das „stille Örtchen“ die Autorin fasziniert. Für sie war es ein Fantasieort. Später wurde es ihre Leseecke und auch ihr Meditationsort.

Das «Häuschen» meiner Grosi war für mich ein Ort, an dem ich mich gefühlt stundenlang aufgehalten habe. Denn da stand ein Stapel Zeitungen. Einige davon waren wunderbar aufgeschnitten in Viertelseiten. Dieses Aufschneiden der Seiten gehörte schon bald zu meinen Aufgaben. Zuerst, als ich noch ganz jung war, also bevor ich zur Schule ging, bekam ich eine grosse Papierschere, um die Zeitungsseite präzise zu teilen und danach nochmals durchzuschneiden. Das tat ich mit höchster Konzentration. Auch das Aufschichten, Kante auf Kante, erforderte Genauigkeit. Erinnere ich mich zurück, kommt es mir vor, als ob ich damals, ohne dass ich das Wort kannte, in einer Meditation faltete, schnitt und aufeinanderlegte. Für das kleine Mädchen war es ein Abenteuer, alleine mit der Schere diese Aufgabe erledigen zu können. Es wurde mir vollstes Vertrauen geschenkt. Später tauschte meine Grosi die Schere mit einem Küchenmesser aus. Nun galt es die Bögen aufzuschlitzen. Dazu war ebenfalls ganze Konzentration gefordert, sonst verhedderte sich das Messer und die Ränder wurden gezackt oder rissen gar ein.

Kopfkino und dann Lesen

Während des Schneidens und natürlich wenn ich «mal musste» war der AB, der Abtritt, für mich ein Schlaraffenland. Da gab es viele Bilder – sprich Fotos und Reklame – anzuschauen. Meine Fantasie schlug dabei Purzelbäume. Für jedes Bild gab es eine Geschichte in meinem Kopfkino, denn vorerst konnte ich noch nicht lesen. Als ich dann noch vor der Einschulung endlich von Mama und den älteren Nachbarskindern das Lesen gelernt hatte, musste ich immer wieder vom WC gerufen werden, so interessierten mich die Geschichten, welche ich dort entziffern konnte. Noch heute liegt neben meinem Klo verschiedener Lesestoff, nun nicht mehr funktional, sondern nur noch als das, was er ist, als Nahrung für Herz und Hirn.

Für jedes Bild gab es eine Geschichte in meinem Kopfkino.

Und dann noch dies

Meine Gotte wohnte in einem alten Bauernhaus. Dort musste ich immer mindestens zweimal auf die Toilette. Nicht wegen des Papiers, sondern wegen des Plumps-WC. Denn dort hatte es nicht nur eins für Erwachsene, nein auch ein niedrigeres mit kleinem Loch für Kinder. Davon war ich total fasziniert. Deshalb war mein erster Gang bei einem Besuch eben dieses Kinder-Plumps-WC und kurz bevor wir wieder aufbrachen und nach Hause marschierten, musste ich dieses niedliche «stille Örtchen» nochmals besuchen. Und das, obwohl im Winter dort draussen, zwischen Haus und Stall, eisige Temperaturen herrschten. Doch das hielt mich nicht davon ab, meinem Lieblings-WC stets zwei Besuche abzustatten und es zu geniessen, gar davon zu träumen und zu wünschen, dass auch wir ein solch kleines WC hätten. Nun, beim Wunsch blieb es.

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