Zur Verhinderung von Konflikten
Die Genfer Konventionen bilden heute den Kern des humanitären Völkerrechts. Sie schützen Personen, die sich als Zivilisten oder Helfende nicht oder als Verletzte nicht mehr an den Kampfhandlungen in einem Krieg beteiligen. Das humanitäre Völkerrecht wird zur Zeit stark strapaziert – um nicht zu sagen, dass es mit Füssen getreten wird, weltweit und im Speziellen nicht weit von hier in der Ukraine, aktuell auch in Palästina.
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Krieg als äusserstes Mittel der Diplomatie
Nach der blutigen Schlacht von Solferino setzte sich Dunant dafür ein, Leiden zu lindern, nicht jedoch die Kriegsführung anzuprangern. Damals war es schlicht undenkbar, den Krieg an sich in Frage zu stellen, der als das äusserste Mittel der internationalen Diplomatie galt. «Ich gehe hier weder auf das schwierige Problem der Legitimität des Krieges noch auf den momentan unmöglichen Traum von einer weltweiten Herrschaft des Friedens ein», schrieb Henry Dunant 1864[1].
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Doch rund zehn Jahre später, nach dem Deutsch-Französischen Krieg, änderte Dunant seine Meinung. Er stellte fest, dass das Rote Kreuz allein das Unheil nicht beseitigen konnte, zu dem die Konflikte führten. Daher beschloss er, seine Anstrengungen auf die Möglichkeiten zu konzentrieren, Konflikte zu verhindern und einzudämmen. Und die «Alliance universelle de l’ordre et de la civilisation» bot ihm Gelegenheit, seine neuen Ideen zu äussern. Dieser 1871 in Paris gegründete Weltbund für Ordnung und Kultur setzte auf Fortschritt, Gerechtigkeit und moralische Prinzipien und hoffte, damit die Bewahrung der Gesellschaftsordnung und des Friedens sicherstellen zu können. Dunant richtete das Programm des Weltbunds u.a. auf die Frage eines internationalen politischen Schiedsverfahrens aus. «Das Schiedsverfahren ist eine dieser Ideen, einer dieser Sterne des Denkens, die viele heute noch als hochtrabende Utopie betrachten. Vielleicht entwickelt es sich jedoch schon bald zu einem geradezu ständig verfügbaren und regelmässig genutzten diplomatischen Verfahren. Denn oft ist die Utopie von heute die Realität von morgen», schrieb er um 1890[2]. Diese Hoffnung Dunants nimmt die Entstehung der grossen internationalen Organisationen für Recht, Zusammenarbeit und Frieden voraus: den Schiedsgerichthof in Den Haag (1899), den Völkerbund (1919) und die Vereinten Nationen (1945).
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Das Henry-Dunant-Museum in Heiden
In Heiden wurde vor über 25 Jahren das Henry-Dunant-Museum gegründet, um die Erinnerung an den wohl wirkungsmächtigsten Schweizer Humanisten zu erneuern und wachzuhalten. Denn hier in Heiden, in jenem Haus, verlebte er die letzten 18 Jahre seines Lebens. Nach dem Umbau und der Modernisierung der Museumsräumlichkeiten wird am 10. August 2024 das neu konzipierte Museum wiedereröffnet. Die Auseinandersetzung, Verbreitung und Vermittlung von Dunants zeitlosen humanitären Werten und Forderungen sind gerade heute von grösster Dringlichkeit: Menschenrechte, freiwilliges Engagement, Hilfsbereitschaft, das Völkerrecht, Inklusion, Solidarität und gesellschaftliche Kohäsion.
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Henry Dunant – der 1. Friedensnobelpreisträger
Mit dem neuen Henry-Dunant-Museum wird ein Identifikationsort, ein Leuchtturm für humanitäre Grundwerte geschaffen, der über Grenzen hinausstrahlt, mit modernsten Ausstellungen und Vermittlungsprogrammen und mit vielen analogen und digitalen Foren und Projekten mit Gegenwartsbezug. Hier entwickelte Dunant seine Visionen weiter, hier erhielt er die Nachricht von der Verleihung des Friedensnobelpreises, hier verstarb er am 30. Oktober 1910.
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[1] Henry Dunant, La charité sur les champs de bataille: suite du Souvenir de Solférino et résultats de la Conférence internationale de Genève, Genf, 1864, S. 6
[2] Henry Dunant (um 1890), L’avenir sanglant, Genf: Editions Zoé, 1994, S. 17
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